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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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beschwören« auf ihn als die einzig denkbare Lösung hinauslaufen musste: »Du halt du klang in unsren tollen wirbeln / Du unsrer feier heiligung und krone / In unsrem dunklen träumen du der strahl!« 89

4 Der Herr der Wende
    Ende März 1904 wurde durch die Druckerei Otto von Holten die Siebente Folge der Blätter für die Kunst ausgeliefert. Der Band markiert den wichtigsten Einschnitt in der Geschichte der Zeitschrift. Stand bis dahin der Ruf nach einer Gesamterneuerung des künstlerischen Lebens in Deutschland durch eine zum Eingreifen entschlossene Dichtergruppe im Vordergrund, so ging es in den späteren Bänden fast nur noch um das Binnenverhältnis dieser Gruppe und die Stellung des Einzelnen zum Zentralgestirn Stefan George.
    Im Frühjahr 1904 deutete vieles darauf hin, dass George »zunächst nicht daran dachte, die Zeitschrift überhaupt weiterzuführen«. 1 Er wolle noch einmal die alten Namen versammeln, meinte er, ein wenig resigniert, als er Anfang Februar in München die Endredaktion der Siebenten Folge in Angriff nahm. Nachdem bei einigen »der irrtümliche glaube entstanden [war] dass wandlungen eintreten sollten«, kehrten die Blätter mit der vorliegenden Lieferung »zu ihrem ausgangspunkt zurück«, so die Einleitung. 2 Die Kunst müsse es sich zwar immer wieder »gefallen lassen, auf werte geprüft zu werden die ausserhalb ihres lebensbereiches liegen«, sie sei aber gut beraten, kein anderes Ziel zu verfolgen »als in sich selbst vollkommen zu werden«. Mit diesen Leitsätzen verteidigte George ein letztes Mal den Primat der Kunst gegen die Verschwörungsszenarien von Klages und Schuler. Dabei knüpfte er an altvertraute Positionen aus der Frühzeit der Blätter an, die eigentlich längst hinter ihm lagen.
    Der retrospektive Charakter der Siebenten Folge kam vor allem in der Bild-Beilage zum Ausdruck. George hatte schon lange den Wunsch gehegt, Autorenfotos zu veröffentlichen. »Ob einer ein dichter ist darüber entscheidet rascher und uns grade so untrüglich
sein gesicht wie sein gedicht«. 3 Auf einer so genannten Dichter-Tafel waren rund um ein George-Foto in der Mitte zwölf Beiträger der Blätter montiert (s. Bildteil I). Fünfzig Abzüge dieser Tafel wurden im Freundeskreis verteilt, damit sich, wie es im redaktionellen Nachwort hieß, diejenigen, »die oft nur in diesen blättern vereinigt waren [sic] wenigstens im bildnis einander kennen lernen«.
    Zwar ließ die Qualität vieler Fotos stark zu wünschen übrig, so dass beim Betrachter der Eindruck entstehen konnte, die Tafel sei spontan zusammengestellt worden. Aber ein geübtes Auge erkannte schnell, dass die Runde nach dem ikonographischen Vorbild der Zwölf um Christus arrangiert worden war; sowohl der Platz eines jeden als auch die Größe seines Fotos entsprachen dem Rang, den ihm die Person in der Mitte zugewiesen hatte. Im Februar 1904 lag George umso mehr an einer Veröffentlichung der Fotos, als er fürchten musste, der Bruch mit Klages und Schuler könnte Wellen schlagen. Mit der Siebenten Folge bot sich die letzte Gelegenheit, die langjährigen Mitarbeiter der Blätter noch einmal vollzählig zu vereinen.
    Die Hälfte der Abgebildeten stand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für weitere Veröffentlichungen zur Verfügung. Carl August Klein, Melchior Lechter und Alfred Schuler konnten ohnehin nie als wirkliche Autoren gelten. Richard Perls war bereits vor über fünf Jahren gestorben. Paul Gérardy tummelte sich seit langem in der Finanzwelt und schrieb politische Satiren; George und er hatten sich seit vier Jahren nicht mehr gesehen, die Siebente Folge enthielt seinen letzten Beitrag. Mit einer Szene aus dem Geretteten Venedig sowie Auszügen aus Elektra ebenfalls zum letzten Mal vertreten: Hofmannsthal. Nur zwei der zwölf, nämlich Wolfskehl und Gundolf, blieben George bis zur letzten Folge der Blätter für die Kunst 1919 als Mitarbeiter erhalten.
    Klages war so wütend über die Veröffentlichung seines Fotos und eines unpublizierten Vierzeilers, den Gundolf als Motto über drei Gedichte an ihn gesetzt hatte, dass er Ende April Strafantrag gegen George, Klein und Gundolf wegen Verletzung des Urheberrechts stellte. Erstaunlicherweise blieb der Herausgeber der Zeitschrift für
die Staatsanwaltschaft Berlin ein Jahr lang unauffindbar, so dass Anklage schließlich nur gegen George und Gundolf erhoben wurde. Sie ließen sich durch den Anwalt von Bondi, Paul Jonas, vertreten, der vor dem Landgericht Berlin soeben einen

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