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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Frage, ob ein Beschluß, durch den Trunksuchtsentmündigung wieder aufgehoben wird, außer Kraft gesetzt werden kann . War ein größerer Gegensatz zur Dichtung Stefan Georges denkbar?
    Als George ihn am 30. März 1905 in Basel kennenlernte, war Boehringer zwanzig Jahre alt, studierte Nationalökonomie sowie Geschichte, Literatur- und Kunstgeschichte. »Die meisten Basler hielten ihn für verrückt«, denn er nutzte jede Gelegenheit zur öffentlichen Rezitation von George-Gedichten. 48 Das sprach sich herum, und George interessierte sich für ihn. Am Abend ihrer ersten Begegnung sagte Boehringer das gesamte Vorspiel auf: »Alles was ich war, was ich zu sein wünschte, legte ich in dieses Hersagen. Er schien zufrieden.« 49 Für den nächsten Tag verabredeten sie sich zu einem Spaziergang und fuhren am Nachmittag hinaus nach Rheinfelden. »Er hatte etwas eminent Weltmännisches und das, was die Italiener desinvoltura nennen.« Zu Weihnachten schenkte ihm George die Prachtausgabe des Teppich . Boehringer bedankte sich noch an Heiligabend und versprach: »Dies sei mir leitspruch fürs kommende und spätere jahre: Dir zu gehören und mein leben von Dir zu empfangen, so Du es mir geben willst«. 50 Wenn George es verlange, sei er bereit, »freunde und was mir lieb ist zu opfern«.
    Fünf Wochen später konnte Boehringer dieses Versprechen einlösen. Der Nationalökonom Julius Landmann, der beim Internationalen Arbeitsamt in Basel tätig war und Boehringer zur Finanzierung seines Studiums dort eine Stelle verschafft hatte, machte diesen mit seinem ehemaligen Göttinger Kommilitonen Rudolf Borchardt bekannt, der damals für ein halbes Jahr in Arlesheim bei Basel lebte. Obwohl Borchardt als Dichter in starker Rivalität zu George stand, rührte er seit Jahren eifrig die Trommel für ihn. George aber traute ihm nicht über den Weg. Nach allem, was er über ihn hörte, musste
ihm Borchardt tief suspekt sein. »Das ist eine Personage, so schmierig, wenn man sie täte an die Wand werfen, würde sie pappen bleiben.« 51
    Als Boehringer im Januar George begeistert von seiner neuen Bekanntschaft berichtete, warnte ihn dieser. Borchardt bekam davon Wind und drohte nun seinerseits George. Der seitenlange rüde Schmähbrief beginnt: »Verschonen Sie meine Freunde und wen von den Ihren Sie in Beziehungen zu mir vermuten, mit Ihren unglückseligen Ermahnungen und Warnungen, George.« 52 Wenn er nicht aufhöre, ihn zu verleumden, werde er, Borchardt, sich an die Öffentlichkeit wenden und sie über seine wahre Natur aufklären. Als sich George zwei Wochen später mit Boehringer in Freiburg traf, um mit ihm bis tief in die Nacht hinein »das trauerspiel« zu bereden, blieb die Entscheidung zunächst offen. »Nur soviel«, berichtete er am 2. Februar aus Colmar an Gundolf, »es war kein mortaler abschluss – aber auch keine einigung!« 53 Von George vor die Wahl gestellt, löste Boehringer dann aber doch sein Versprechen von Weihnachten ein und schwor Borchardt ab. 54
    Ernst Morwitz hatte George im Sommer 1905 einen begeisterten Brief geschrieben. Im darauf folgenden Jahr kam es wohl zu ihrer erten Begegnung. Nach dem Jura-Studium in Freiburg, Heidelberg und Berlin legte er 1909 das Referendarexamen ab, wurde promoviert und nach dem vierjährigen Justizvorbereitungsdienst im Juli 1914 zum Gerichtsassessor ernannt. »Was ich sozusagen ›werden‹ soll«, schrieb der Kandidat vier Tage vor seiner Ernennung an George, »ist mir qualvoll ungewiss, darüber muss ich vor allem mit Dir sprechen.« 55 George scheint ihn darin bestärkt zu haben, eine juristische Karriere anzustreben. Zehn Tage später brach der Krieg aus, und Morwitz, der 1911 dem Landsturm zugeteilt worden war, meldete sich als Krankenpfleger beim Roten Kreuz.
    Erst im Herbst 1910, vier Jahre nach ihrer Bekanntschaft, wurden George und Morwitz intim. Ende September war George wie jedes Jahr nach Berlin gefahren, am 7. November schickte er Gundolf zwei Gedichte, damit »du siehst wie hier die wellen hoch gehen! es ist so
die lezte grenze dessen was man noch sagen darf -«. Das eine der beiden Gedichte stammte von Morwitz: »Da du der sieger bist wirst du erlöser / Da ich besiegt bin wurde ich befreit.« Das andere trug den Titel »Schlachtgebet« und stand drei Jahre später im Stern des Bundes :
    O ruhe lezter nacht in deinem arm
Eh das signal mich ruft in meinen frieden!
O einziges glück berauschter morgenfrühe
Mit Gott und Dir zum Sieg, mit Dir zum Tod! 56
    Inzwischen

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