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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Weber, Arthur Salz und Friedrich Gundolf entwickelte sich ein herzliches Verhältnis, das einer gewissen Pikanterie nicht entbehrte, waren doch alle drei hintereinander mit Else Jaffé liiert. 66 Für den Sommer 1910 hatten Max und Marianne Weber mit ihren beiden jungen Freunden eine England-Reise geplant; Gundolf sagte wegen seiner Habilitationsschrift ab, Salz wegen eines angekündigten Besuchs von George. Darauf Weber an Salz: Für ihn »wäre die Bekanntschaft oder besser gesagt: der Eindruck – eines Mannes von so gewaltigem Ernst auch etwas, was ich nicht nur einer Reise, sondern sehr Vielem oder Allem Andren voranstellen würde«. 67 Nicht zuletzt aufgrund solcher Bekenntnisse dürfte Gundolf jetzt darauf gedrängt haben, dass es so schnell wie möglich zu einer Begegnung der Titanen kam.
    Weber sei vor ihrem ersten Treffen im September »ein wenig verlegen« gewesen, erinnerte sich Marianne später,
    Aber als sich Aug in Auge senkt, lösen sich sogleich alle durch den Jüngerkult erzeugten Hemmungen. Der Meister war ganz ohne Pose, gab sich mit schlichter Würde und Herzlichkeit. Deshalb ist Weber sogleich bereit, das Außergewöhnliche in ihm zu verehren, das gebietende Gewicht eines in der eignen Schöpferkraft beruhenden adligen Menschentums auf sich wirken zu lassen. 68
    Im September und Dezember 1910 kam es zu mehreren Gesprächen; in den folgenden Jahren fanden zwei oder drei weitere Begegnungen statt, im August 1915 wohnten George und Weber vorübergehend sogar Tür an Tür in einer Pension in der Gaisbergstraße 16a. Im September 1910 trafen sie sich sowohl in der Pension Neuer am Schlossberg, wo George, Gundolf und Salz damals wohnten, als auch am gegenüberliegenden Neckarufer, in der Villa von Webers Großeltern mütterlicherseits, in der er und Marianne soeben den ersten Stock bezogen hatten. Drei Punkte vor allem waren es, die Weber an George äußerst »sympathisch« fand: »ein bestimmter Einfluß auf die Art der Lebensführung … eine sehr hohe und rein sachliche Auffassung der
Künstlerpflichten … Und dann die Schlichtheit Georges im persönlichen Verkehr«. 69 Von George ist eine unmittelbare Aussage über Weber nicht bekannt. 70
    »George-Mythos« und »Weber-Mythos«, die miteinander konkurrierenden, inkommensurablen, aber erst in ihrer Interdependenz sich erschließenden Entwürfe, die zusammen den neuen Ruhm von Heidelberg begründeten, sind heute in sämtlichen Nuancen ausgeleuchtet. Es gab wohl, mit Arthur Mitzman zu sprechen, einen »aristokratischen Code« zwischen den beiden Protagonisten, der die nötige Distinktion herstellte. Im Dezember 1911, nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gundolf und Weber über die »Vergottung« Maximins und die damit einhergehende »Religionsstiftung«, betonte George, »dass ihm daran lag … über die letzten Gegensätze hinweg Freundschaft zu halten«. 71 Aber die Gegensätze waren auf Dauer doch zu groß, die beiden Granden sich zu fremd in ihrem Wesen, ihr jeweiliger Ehrgeiz zu absolut. Während der eine von dem universalistischen Streben besessen war, alles Wissen aus allen Disziplinen in einem einzigen gigantischen Projekt zu systematisieren, und »irgendwann eine alle Künste umfassende Soziologie schreiben« wollte, 72 bestand der andere auf dem Fortlassen alles Überflüssigen – und überflüssig schien ihm das meiste. Fünfzig Bücher reichten aus, pflegte er zu sagen, alles andere sei bloß »Bildung«. Um den Freunden die Lektüreauswahl zu erleichtern, wurde nach dem Krieg eine Liste erstellt, in der »die Unbedingten«, »die Nötigen« und »die »Nützlichen« Bücher sorgfältig unterschieden waren. 73
    Ausgehend vom Charisma-Begriff und den Schlossberg ständig vor Augen, entwickelte Weber in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg »drei reine Typen legitimer Herrschaft«. 74 In seinem postum von Marianne Weber herausgegebenen Hauptwerk Wirtschaft und Gesellschaft definierte er Herrschaft als »die Chance«, für bestimmte Befehle bei einer bestimmten Gruppe »Gehorsam zu finden«. Da ein echtes Herrschaftsverhältnis ohne »ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen , also: Interesse am Gehorchen« nicht funktioniere, bestimmten die Motive des Gehorsams im Wesentlichen den Typus
der Herrschaft. (122) Die drei reinen Typen waren für Weber die legale (oder rationale), die traditionale und die charismatische Herrschaft. Er entlehnte den Begriff der altchristlichen Terminologie (Charisma = Gnadengabe) und definierte ihn als

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