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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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zweimaligen Krönung in Mainz und Aachen die Grundlagen seiner Macht stabilisiert hatte, stellte der inzwischen unter päpstlichem Bann stehende Kaiser am 18. März 1229 die von den Päpsten über Jahrhunderte geleugnete »Gottunmittelbarkeit des Kaisertums« wieder her, indem er sich in der Grabeskirche, »der heiligsten Stätte der christlichen Welt«, die Krone des Königreichs Jerusalem aufs Haupt setzte. Aber nicht aufgrund seiner politischen Erfolge wurde Friedrich zum »End- und Erfüllungskaiser der deutschen Träume«, wie Kantorowicz ausführte, sondern weil er so etwas repräsentierte wie den Genius der Deutschen. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts habe sich der Deutsche erstmals »in der ganzen Weite des römischen Imperiums« zu Hause gefühlt, überall im Reich sei damals ein neuer Typus entstanden, ein »freier und gelöster, fast mittelmeerischer Germanentyp«. Erhalten habe sich »jenes römisch-antike Deutsche« vor allem in den Bildwerken der Dome von Bamberg, Naumburg und Magdeburg,
in denen sich noch heute die Möglichkeit »eines zugleich weltweiten und dennoch deutschen Wesens« spiegele. Wer vor dem Bamberger Reiter stehe, könne keinen Augenblick daran zweifeln, »dass jener schöne und ritterlich adlige Menschentypus damals in Deutschland gelebt haben muß«. Bamberg sei »das wahre Nationalheiligtum der Deutschen«, erläuterte Kantorowicz in einem Rundfunkvortrag 1935, »das Delphi der wenigen Deutschen, die um Apollon wissen«. 36
    Die Zunft fühlte sich bei solchen Passagen unwohl – damals und nach dem Krieg erst recht. Das ganze deutsche Volk »ein Volk von Bamberger Reitern«?, fragte fünfzig Jahre nach dem Erscheinen der Erstausgabe der Mediävist Arno Borst. 37 Obwohl Friedrich der Zweite längst als Standardwerk gilt, das seinem Autor »den Rang eines der letzten europäischen Universalgelehrten eintrug«, 38 erregt Kantorowiczs Vision vom Weltherrscher als künftigem Retter der Nation noch immer die Gemüter. Er hoffe, rief am Ende seines Vortrags auf der Frankfurter Kantorowicz-Tagung 1993 der Festredner gesinnungsethisch korrekt, dass in Deutschland »keine politisch-soziale Gegenwart mehr denkbar sein oder gar wirklich werden möge, der ein Buch dieser Art etwas zu sagen hätte«. 39

3
    Zu den bekanntesten Fotografien Stefan Georges und seiner Freunde zählt eine Aufnahme, die im Herbst 1924 im Pförtnerhaus einer Villa in Grunewald gemacht wurde (s. Bildteil II). Es handelte sich um das in den siebziger Jahren abgerissene Pförtnerhaus auf dem zur Villa Hirschberg gehörenden Grundstück Koenigsallee 45-45a, 40 das Johann Anton Mitte Oktober auf drei Monate als Winterquartier gemietet hatte. Auf dem Foto sitzt George in Kamelhaarweste mit schwarzem Seidenhalstuch am äußersten linken Bildrand in einem Armlehnstuhl. Den linken Arm hat er auf die Lehne gelegt, drei Finger der rechten Hand unter das linke Gelenk geschoben. Die dunkel
umränderten Augen halb geschlossen, geht der Blick nach innen. George hat sich abgewendet und genießt. Er genießt die Bewunderung von zwei jugendlichen Verehrern, die am rechten Bildrand – auf Georges Bett – dicht beieinander etwas tiefer sitzen. Die beiden haben große Ähnlichkeit, sie tragen graue Westen, die weißen Hemdkragen offen. Der eine himmelt George verzückt an – der Abstand scheint riesig zu sein, so dass er sich weit vorstrecken muss; der zweite schaut dem ersten sinnend über die Schulter, in Richtung des Betrachters. Auf der zart gemusterten Blumentapete, die den gesamten Bildhintergrund ausfüllt, hängt, direkt über den Köpfen der beiden Jünglinge, groß und schwarz gerahmt, der Meister noch einmal: als Foto. Der reale George wirkt vor diesem Foto fast wie ein Phantom, wie eine »Vision vor dem inneren Auge« der beiden Jungen. 41
    Die Aufnahme scheint eine Zufallsaufnahme, und doch ist alles bis ins Kleinste arrangiert. Sie wird oft abgebildet, denn die beiden Besucher in der Koenigsallee waren der 19-jährige Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und sein zweieinhalb Jahre jüngerer Bruder Claus. Er ist es, der den Dichter anschwärmt, und es ist das einzige Foto, das ihn mit George zusammen zeigt. So wie es auch von ihm und Adolf Hitler nur ein einziges gemeinsames Foto gibt, aufgenommen zwanzig Jahre später, am 15. Juli 1944 in der Wolfschanze.
    Im Oktober 1924 hatte Claus in einem Brief aus Lautlingen, dem Stammsitz der Familie am Fuß der Schwäbischen Alb, George seinen Besuch in Berlin angekündigt.

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