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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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unsichtbarer Höhe Licht in ihn eindrang. Nun ward ihm bewußt, daß auch hier noch Schuld in ihm gewesen, solange er Menschen in seinen Willen tat und Sklaven nannte nach einem Gesetz, das nur jenes brüchige der Menschen war und nicht jenes ewige des tausendförmigen Gottes. Und er neigte sich im Gebet: »Dank dir, Tausendförmiger, der du mir Boten sendest aus allen deinen Formen, daß sie mich aufjagen aus meiner Schuld, immer näher dir entgegen auf dem unsichtbaren Wege deines Willens! Gib, daß ich sie erkenne in den ewig anklagenden Augen des ewigen Bruders, der allorts mir begegnet, der aus meinen Blicken sieht und dessen Leiden ich leide, damit ich mein Leben rein wandle und atme ohne Schuld.«
    Viratas Antlitz war wieder heiter geworden, hellen Auges trat er in die Nacht, trank den weißen Gruß der Sterne, das schwellende Sausen des Frühwinds tiefatmend in sich und ging durch die Gärten zum Flusse. Als die Sonne sich von Osten erhob, tauchte er nieder in die heilige Flut und kehrte heim zu den Seinen, die versammelt waren zum Gebet des Morgens.
    Er trat in ihren Kreis, grüßte mit gutem Lächeln, winkte die Frauen in ihre Gemächer zurück, dann sprach er zu seinen Söhnen:
    »Ihr wißt, daß seit Jahren nur eine Sorge meine Seele bewegt: ein Gerechter zu sein und ohne Schuld zu leben auf Erden; nun ist es gestern geschehen, daß Blut floß in die Scholle meines Hauses, Blut eines lebendigen Menschen, und ich will frei sein dieses Blutes und Sühne tun für das Vergehen im Schatten meines Daches. Der Sklave, der um ein Geringes zu hart gebüßt ward, soll Freiheit haben von dieser Stunde und gehen, wohin es ihn gelüstet, damit er nicht vor dem letzten Richter einst klage wider euch und mich.«
    Schweigend standen die Söhne, und Virata fühlte ein Feindliches in diesem Verstummen.
    »Ich spüre ein Schweigen wider mein Wort. Auch wider euch will ich nichts tun, ohne euch zu hören.«
    »Einem Schuldigen, der sich verging, willst du Freiheit schenken, Belohnung statt Bestrafung«, begann der älteste Sohn. »Viele Diener haben wir im Haus, und es zählte nicht dieser eine. Aber jede Tat wirkt über sich hinaus und ist verknüpft mit der Kette. Lässest du diesen ledig, wie darfst du die andern, die dein eigen sind, dann halten, wenn sie fortbegehren?«
    »Wenn sie fortbegehren aus meinem Leben, so muß ich sie lassen. Keines Lebendigen Schicksal will ich halten, denn wer Schicksale formt, fällt in Schuld.«
    »Aber du lösest das Zeichen des Rechts«, hub der zweite Sohn an, »diese Sklaven sind unser eigen wie die Erde und der Baum dieser Erde und die Frucht dieses Baumes. So sie dir dienen, sind sie gebunden an dich und du gebunden an sie. An eine Reihe rührst du, die seit Jahrtausenden wächst durch die Zeiten: der Sklave ist nicht Herr seines Lebens, sondern Diener seines Herrn.«
    »Es gibt nur ein Recht vom Gotte, und dies Recht ist das Leben, das jedem eingetan ward mit dem Atem seines Mundes. Zum Guten mahnst du mich, der ich verblendet war und frei zu sein meinte von Schuld: fremdes Leben habe ich genommen seit Jahren. Nun aber sehe ich klar und weiß: ein Gerechter darf nicht Menschen zum Tiere machen. Ich will allen die Freiheit geben, damit ich ohne Schuld sei wider sie auf Erden.«
    Trotz stand auf den Stirnen der Söhne. Und hart antwortete der Älteste:
    »Wer wird die Felder tränken mit Wasser, daß der Reis nicht verschmachte, wer die Büffel führen im Felde? Sollen wir Knechte werden um deines Wahns willen? Du selbst hast die Hände nicht gemüht mit Arbeit ein Leben lang und nie dich bekümmert, daß dein Leben wuchs auf fremdem Dienst. Und ist doch auch fremder Schweiß in der geflochtenen Matte, darauf du lagst, und über deinem Schlaf wachte der Wedel der Diener. Und mit einmal willst du sie von dir jagen, daß niemand sich mühe als wir, dein eigenes Blut? Sollen wir vielleicht noch die Büffel lösen vom Pfluge und die Stränge ziehen an ihrer Statt, damit sie die Geißel nicht treffe? Denn auch ihnen fließt des Tausendförmigen Atem vom Munde. Nicht rühre, Vater, an das Bestehende, denn auch dies ist von dem Gotte. Nicht willig tut die Erde sich auf, Gewalt muß ihr getan werden, damit Frucht ihr entquelle, Gewalt ist Gesetz unter den Sternen, nicht können wir ihrer entbehren.«
    »Ich aber will ihrer entbehren, denn Macht ist selten im Recht, und ich will ohne Unrecht leben auf Erden.«
    »Macht ist in allem Haben, sei es Mensch oder Tier oder die geduldige Erde. Wo du

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