Steh zu dir
drückte sie.
»Du bist groß«, sagte sie, und Stevie lächelte.
»Ja, das bin ich.« Mit hohen Absätzen war sie größer als Jason, der immerhin gut eins achtzig maß. »Du übrigens auch, wenn auch nicht ganz so groß wie ich. Alles Gute zu Thanksgiving, Carole. Willkommen zurück in der Welt.“
»Mist«, sagte Carole grinsend, und beide lachten. Dieses Mal blitzte ein Funke Übermut in ihren Augen. Jason hatte das Zimmer bereits verlassen, als sich Stevie Carole noch einmal grinsend zuwandte.
»Du kannst mich mal«, sagte Stevie. »Das ist auch ein Schlimmes. Und sehr nützlich.«
Carole strahlte. »Du kannst mich auch mal«, erklärte sie stolz. Stevie warf ihr durch die Luft einen Kuss zu und verließ lachend den Raum. Dies war zwar nicht das Thanksgiving, das alle erwartet hatten, aber es war dennoch das beste, das Stevie je erlebt hatte.
7
Matthieu kam am Spätnachmittag von Thanksgiving vorbei, um Carole zu sehen. Aus Angst, ihrer Familie zu begegnen, hatte er bisher gezögert. Nachdem er aber in der Zeitung gelesen hatte, dass Carole aus dem Koma erwacht war, hielt er es nicht länger aus. Er musste es einfach wagen.
Zögernd betrat er ihr Zimmer. Er sah Carole jetzt zum ersten Mal in wachem Zustand, und sein Herz machte vor Freude einen Satz. Doch sie sah ihn nur fragend an. In ihrem Blick lag nicht einmal ein Hauch von Erkennen. Matthieu überlegte, ob das an den Folgen des Unfalls lag oder es einfach zu lange her war. Aber nach allem, was sie einander bedeutet hatten, schien es ihm schier unmöglich, dass sich Carole nicht an ihn erinnerte. Er hatte in den vergangenen Jahren jeden Tag an sie gedacht. Und es war ihm schwer vorstellbar, dass es ihr nicht ähnlich ging.
Als er eintrat, wandte sie sich ihm überrascht zu. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn je zuvor gesehen zu haben. Vor ihr stand ein großer, gut aussehender Mann mit weißem Haar, leuchtend blauen Augen und ernstem Gesicht. Er strahlte Autorität aus, und sie vermutete, dass er einer der Ärzte war.
»Hallo, Carole«, begrüßte er sie auf Englisch mit starkem Akzent. Matthieu war nicht sicher, ob sie momentan Französisch verstand.
»Hallo.« Sie erinnerte sich zweifellos nicht an ihn. Das brach ihm fast das Herz.
»Wahrscheinlich habe ich mich ziemlich verändert«, sagte er. »Es ist ja auch schon eine Weile her. Mein Name ist Matthieu de Billancourt.« Sie lächelte ihn freundlich an, aber ansonsten regte sich nichts in ihrem Gesicht.
»Sind Sie Arzt?«, fragte sie, aber er schüttelte den Kopf.
»Sind Sie ein Freund?«, forschte sie vorsichtig weiter, obwohl sie vermutete, dass er sonst wahrscheinlich nicht hier wäre. Die Frage schien ihn zu überraschen. Allein ihr Anblick genügte, um seine Liebe neu zu entflammen. Sie dagegen schien gänzlich unberührt.
»Ja … das bin ich. Ein sehr guter Freund. Wir haben uns lange nicht gesehen.« Ihm war klar, dass sie ihr Gedächtnis noch nicht zurückerlangt hatte, deshalb war er zurückhaltend, was Informationen anging. Er wollte sie nicht erschrecken. In diesem Krankenhausbett, von Kissen gestützt, sah sie so zerbrechlich aus! Außerdem war eine Krankenschwester mit im Zimmer, und er wusste nicht, wie viel Englisch sie verstand.
»Wir kannten uns, als du in Paris gelebt hast.« Er hatte ihr Blumen mitgebracht und reichte den großen Strauß Rosen nun der Schwester.
»Ich habe in Paris gelebt?« Das war Carole neu. Es war frustrierend, dass sie so vieles von sich nicht wusste. Matthieu konnte ihr das ansehen. »Wann?« Sie hatte inzwischen erfahren, dass sie jetzt in Los Angeles wohnte und eine Zeit lang mit Jason in New York gelebt hatte.
Aber Paris hatte niemand erwähnt.
»Du hast zweieinhalb Jahre hier gewohnt und bist vor fünfzehn Jahren weggezogen.«
»Oh.« Carole nickte. Sie betrachtete ihn schweigend. Es lag etwas Irritierendes in seinem Blick, das sie nicht richtig zu fassen bekam. Sie konnte auch nicht sagen, ob es gut oder schlecht war. Nur dass es sehr intensiv war, das spürte sie.
»Wie geht es dir?«, fragte er höflich. Es schien ihm sicherer, über die Gegenwart statt über die Vergangenheit zu reden.
Carole überlegte lange, suchte nach dem richtigen Wort und fand es schließlich. So wie er mit ihr sprach, musste er sie gut kennen. Aber sicher war sie sich nicht. Ein bisschen fühlte es sich an wie bei Jason, und doch anders. »Verwirrt«, beantwortete sie seine Frage schließlich. »Ich weiß nichts. Kann die Wörter nicht finden. Erkenne
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