Steh zu dir
werden wollte. Zumindest Anthony schien mit dem zufrieden zu sein, was er von ihr bekommen hatte – oder er war einfach nur höflicher. Vielleicht brauchten Söhne ihre Mütter nicht so sehr. Chloe dagegen brauchte sie, zweifellos, und Carole konnte wenigstens versuchen, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken.
Sie redeten, bis es draußen bereits dunkel wurde. Carole fragte Stevie auch, ob es, als sie damals in Paris lebte, einen Mann in ihrem Leben gegeben habe. Stevie antwortet ausweichend, dass sie keine Details wisse. »Es ging jedenfalls nicht gut aus. Du hast nicht viel darüber gesprochen. Und als wir das Haus auflösten, konntest du es kaum erwarten, von hier fortzukommen. Während wir hier waren, um den Verkauf abzuwickeln, wirktest du niedergeschlagen. Du hast dich mit niemandem getroffen, und sobald du die wichtigsten Dinge geregelt und mir alle nötigen Anweisungen gegeben hattest, bist du zum Flughafen und zurück nach L. A. Mit wem auch immer du zusammen warst, du hattest Angst davor, ihn wiederzusehen. Während der nächsten Jahre hattest du keine ernsthafte Beziehung, bis du Sean kennenlerntest. Es kam mir so vor, als wärst du tief verletzt worden. Ich weiß nicht, ob von Jason oder jemand anderem. Damals kannten wir uns nicht gut genug, als dass du es mir erzählt hättest.« Carole wünschte, sie hätte es getan.
»Und jetzt weiß ich nicht, wie ich es herausfinden soll«, sagte sie traurig. »Wenn es in Paris jemanden gegeben hat, dann ist er zusammen mit meiner Erinnerung für immer verloren gegangen. Aber vielleicht spielt das auch keine Rolle mehr.«
»Du warst noch sehr jung, erst fünfunddreißig, als du nach L. A. zurückkehrtest. Und vierzig, als die Beziehung mit Sean anfing. Die anderen Männer, mit denen ich dich gesehen habe, waren nicht mehr als nette Begleitungen. Du hast dich damals nur um deine Kinder, deinen Job und dein soziales Engagement gekümmert. Wir haben übrigens ein Jahr lang in New York gelebt, während du am Broadway aufgetreten bist. Das war eine schöne Zeit.«
»Wenn ich mich doch wenigstens an etwas erinnern könnte«, antwortete Carole frustriert.
»Das wirst du«, sagte Stevie zuversichtlich. Dann lachte sie. »Glaube mir, in meinem Leben gibt es eine Menge, das ich liebend gern vergessen würde. Zum Beispiel meine Kindheit. Was für eine schreckliche Zeit! Meine Eltern waren beide Alkoholiker. Meine Schwester wurde mit fünfzehn schwanger und endete in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Sie gab das Kind zur Adoption frei, danach noch zwei weitere. Dann bekam sie einen Nervenzusammenbruch und landete mit einundzwanzig in einer Anstalt. Mit dreiundzwanzig beging sie Selbstmord. Meine Familie war der reinste Albtraum. Ich bin da nur mit Mühe heil herausgekommen. Wahrscheinlich halte ich deshalb nicht so viel von Ehe und Familie. Ich verbinde damit nur Kummer und Schmerz.«
»Das tut mir leid. Es klingt wirklich hart.«
»Das war es auch«, versicherte Stevie und seufzte. »Ich habe ein Vermögen für Therapien ausgegeben, um darüber hinwegzukommen. Ich glaube, es ist mir gelungen, aber ich will mich auch nicht übernehmen und halte mein Leben lieber überschaubar. Durch dich an allem teilzunehmen, macht mich glücklich. Außerdem ist es aufregend, für dich zu arbeiten.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum. Für mich hört es sich nicht danach an. Die Schauspielerei ist sicher spannend. Aber Scheidungen, sterbende Ehemänner, gebrochene Herzen in Paris … Das klingt nicht gerade nach einer Menge Spaß. Eher nach dem wirklichen Leben.«
»Das stimmt. Dem entkommen wir alle nicht. Selbst wenn du berühmt bist, musst du dich mit dem gleichen Mist auseinandersetzen wie wir alle – vielleicht sogar mit noch mehr. Du kommst bemerkenswert gut mit deinem Ruhm zurecht und bist nie überheblich geworden.«
»Das ist ja wenigstens etwas. Gott sei Dank. Bin ich eigentlich religiös?«, fragte sie plötzlich neugierig.
»Nicht sehr. Du bist häufiger in einen Gottesdienst gegangen, als Sean im Sterben lag, und in der ersten Zeit danach auch noch. Ansonsten gehst du nicht oft in die Kirche. Du wurdest katholisch erzogen, glaubst aber eher an die Inhalte der christlichen Religion als an die Rituale. Du lebst die Grundsätze der Kirche und bist ein guter Mensch.
Dafür musst du nicht in die Kirche gehen.« Stevie war wie ein Spiegel, in dem Carole endlich etwas von sich sehen konnte.
»Wenn ich aus dem Krankenhaus entlassen bin, möchte
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