Steh zu dir
Angst.
»Auf Dauer wahrscheinlich nicht. Er sagt, er möchte Kinder. Aber mit mir geht das nun mal nicht«, erklärte Stevie energisch. »Er wird jetzt vierzig und denkt, dass er allmählich heiraten sollte. Kann sein, dass unsere Beziehung daran scheitert. Aber ich wollte noch nie Kinder. Diese Entscheidung habe ich schon vor sehr langer Zeit getroffen. Meine eigene Kindheit war fürchterlich. Ich bin froh, erwachsen und ungebunden zu sein. Und ich bin froh, das es niemanden gibt, der mir später vorwerfen kann, was ich alles falsch gemacht habe. Sieh dir doch nur dich und Chloe an. Meiner Meinung nach bist du eine tolle Mutter, und sie ist trotzdem sauer auf dich. Das brauche ich in meinem Leben nicht. Lieber verbringe ich viel Zeit mit meinem Hund. Und wenn ich Alan deshalb verliere, dann hat es eben nicht sollen sein. Ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass ich keine Kinder will, und er war einverstanden. Anscheinend tickt jetzt seine biologische Uhr. Meine nicht, die habe ich schon Vorjahren ausrangiert. Ich möchte auch kein Kind adoptieren. Ich liebe mein Leben so, wie es ist.« Sie klang überzeugt von dem, was sie sagte. Dennoch musterte Carole sie kritisch und fragte sich, was daran Wahrheit war und was einfach Angst.
»Und wenn mir nun etwas zustößt? Ich bin älter als du.
Was ist, wenn ich sterbe? In den letzten drei Wochen war ich wohl ein paar Mal nahe dran. Wenn ich in deinem Leben das Wichtigste bin, was wird dann aus dir? Du hast dich da in eine beängstigende Situation gebracht.« Das stimmte, ob Stevie es nun wahrhaben wollte oder nicht.
»Das ist für jeden beängstigend. Was ist, wenn dein Mann stirbt? Oder dein Kind? Oder dich dein Mann verlässt und du einsam endest? Früher oder später müssen wir uns dem alle stellen. Vielleicht sterbe ich vor dir. Oder du drehst durch oder wirfst mich eines Tages raus, weil ich Mist gebaut habe. Es gibt im Leben keine Garantien, es sei denn, wir springen alle gemeinsam mit neunzig von einer Brücke. Man muss seine Chancen ergreifen. Man muss ehrlich gegenüber sich selbst sein und wissen, was man will. Genau das tue ich. Und ich war Alan gegenüber ehrlich. Wenn ihm das nicht passt, muss er gehen. Aber ich habe ihn nie angelogen und behauptet, ich wolle Kinder.
Ich habe ihm direkt gesagt, dass ich nicht heiraten werde und dass mir mein Job am wichtigsten ist. Daran hat sich nichts geändert. Wenn er damit nicht leben kann oder mich deshalb nicht mehr mag, sollte er losziehen und sich das suchen, was er braucht. Mehr können wir alle nicht tun. Manchmal passen Menschen eben nur für eine Weile zusammen. So muss es auch bei dir und Jason gewesen sein, sonst wärt ihr noch verheiratet. Die wenigsten Dinge halten auf Dauer. Ich bin bereit, das zu akzeptieren, und gebe dennoch mein Bestes. Zugegeben, manchmal spielt Alan nur die zweite Geige nach dir und meinem Job. Und manchmal muss ich hinter seinem Job zurückstehen. Für mich ist das in Ordnung, für ihn vielleicht nicht.«
Stevie war wie immer ehrlich. Sie log weder sich noch anderen etwas vor. Ganz pragmatisch ging sie an alles heran, an ihr Leben, ihren Job, ihre Beziehungen. Das machte sie so zuverlässig. Es war einfach angenehm, sie um sich zu haben. Das spürte Carole.
»Habe ich es so empfunden?«, fragte Carole unsicher.
»Soweit ich es beurteilen kann, warst du dir selbst gegenüber immer ehrlich. Du hättest Jason damals zurückhaben können, aber aus irgendeinem Grund wolltest du es nicht. Du bist sicher kompromissbereiter als ich, deshalb ist die Ehe auch was für dich. Aber ich habe nie erlebt, dass du deine Werte oder Prinzipien geopfert hättest, für nichts und niemanden. Wenn du an etwas glaubst, dann ziehst du es bis zum Ende durch. Das habe ich immer an dir gemocht. Du bist bereit, für das einzustehen, was dir wichtig ist, und wenn du noch so oft umgehauen wirst. Das nenne ich Charakterstärke. Letztlich kommt es doch darauf an, wie man sich als Mensch verhält.«
»Es ist mir wichtig, zu wissen, dass ich eine gute Mutter bin«, sagte Carole leise.
»Das bist du.« Stevie sah sie beruhigend an.
»Vielleicht. Es kommt mir so vor, als hätte ich bei Chloe eine Menge nachzuholen. Ich bin bereit, das zu akzeptieren. Möglicherweise habe ich das früher einfach nicht wahrhaben wollen.« Da sie jetzt vor einem Neuanfang stand, wollte sie genauer hinsehen und einiges besser machen. Dass sich ihr diese Möglichkeit eröffnet hatte, empfand sie als großes Geschenk, dem sie gerecht
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