Steh zu dir
Weihnachten zusammen mit den Kindern in Gstaad verbracht. Anschließend drehtest du einen Film in England, und ich flog jedes Wochenende zu dir. Als du zurückkamst, wollte ich zum Anwalt gehen und die Scheidung einreichen, aber meine Frau flehte mich an, es nicht zu tun. Sie sagte, sie könne es nicht ertragen. Wir waren einundzwanzig Jahre verheiratet, und ich glaubte, ihr etwas zu schulden, zumindest Respekt, wenn ich sie schon nicht mehr liebte. Sie wusste natürlich von dir und nahm es mir nicht übel. Was das anging, war sie sehr verständnisvoll. In jenem Jahr endete die Legislaturperiode, und ich wollte mich danach aus der Politik zurückziehen. Das wäre der perfekte Zeitpunkt für eine Scheidung gewesen. Aber dann wurde ich für eine weitere Amtszeit nominiert. Damals waren wir ein Jahr zusammen, und du erklärtest dich bereit, weitere sechs Monate zu warten. Ich war fest entschlossen, mich dann scheiden zu lassen. Arlette versprach, sich nicht länger zu widersetzen. Aber dann gab es einen Skandal, in den Leute aus der Regierung verwickelt waren. Der denkbar schlechteste Moment für eine Scheidung. Ich bat dich, mir noch ein Jahr Zeit zu geben, dann wollte ich mein Amt niederlegen und mit dir in die Staaten gehen.«
»Das hättest du nie getan. Und wenn, wärst du dort todunglücklich gewesen.«
»Ich fand, ich schuldete meinem Land etwas … und meiner Frau. Ich konnte beide nicht einfach zurücklassen, ohne meine Pflicht zu erfüllen. Trotzdem war ich entschlossen, mit dir zu gehen, aber dann …« Er brach ab.
»Deine Tochter starb, bei einem Autounfall, ich erinnere mich. Es war entsetzlich.« Ihre Blicke trafen sich. Carole berührte seine Hand.
»Sie war neunzehn. Es passierte in den Bergen, als sie mit Freunden zum Skifahren unterwegs war. Du warst mir damals eine große Hilfe. Aber ich konnte Arlette in dieser Situation unmöglich verlassen. Das wäre unmenschlich gewesen.«
Carole erinnerte sich daran, dass er ihr genau das damals gesagt hatte.
»Du hast immerzu behauptet, du würdest sie verlassen.
Von Anfang an hast du gesagt, eure Ehe sei am Ende. Aber das stimmte nicht. Ständig meintest du, deiner Frau etwas schuldig zu sein. Sie bestand darauf, dass du weitere sechs Monate bei ihr bliebst, und du hast es ihr jedes Mal bewilligt. Ich habe die ganze Zeit gewartet. Wir lebten zusammen, aber du warst mit ihr verheiratet. Und mit Frankreich. Und plötzlich waren zwei Jahre vergangen.« Carole schwieg und fügte dann hinzu: »Und ich war schwanger.«
Er nickte und sah sie gequält an.
»Ich habe dich angefleht, dich endlich scheiden zu lassen, nicht wahr?«
Wieder nickte er, demütig.
»In meinem Vertrag gab es eine moralische Klausel. Wenn jemand herausfand, dass ich mit einem verheirateten Mann zusammenlebte, von dem ich auch noch ein Kind erwartete, wäre es mit meiner Karriere vorbei gewesen. Sie hätten mich rausgeworfen und vielleicht sogar verklagt. Ich habe viel für dich riskiert«, sagte Carole traurig. Das war bei ihm nicht anders gewesen. Aber seine Landsleute verziehen ihm, dass er seine Frau betrog und eine Geliebte hatte.
In Frankreich wurde das akzeptiert. Ihre Produktionsfirma dagegen verzieh keine Affäre mit einem verheirateten Mann und schon gar nicht, mit einem hohen Politiker in einen öffentlichen Skandal verwickelt zu werden. Ganz zu schweigen von einem unehelichen Kind. Die Klausel in ihrem Vertrag war eindeutig. Sie wäre über Nacht zu einer Geächteten geworden. Carole war das Risiko dennoch eingegangen, weil Matthieu ihr versichert hatte, sich scheiden zu lassen. Aber er hatte niemals auch nur einen Rechtsanwalt kontaktiert.
»Was passierte mit dem Baby?«, fragte sie mit erstickter Stimme und sah Matthieu an.
»Du hast es verloren. Es war ein Junge. Du warst im fünften Monat. An Weihnachten wolltest du den Baum schmücken und bist dabei von der Leiter gefallen. Ich habe noch versucht, dich aufzufangen. Danach lagst du drei Tage im Krankenhaus, aber wir haben ihn verloren. Chloe wusste nicht, dass du schwanger warst, aber Anthony schon. Wir erklärten es ihm. Er hat mich gefragt, ob wir heiraten würden, und ich sagte ja. Aber dann starb meine Tochter, Arlette hatte einen Nervenzusammenbruch und flehte mich an, bei ihr zu bleiben. Sie drohte mit Selbstmord. Das war, nachdem du das Kind bereits verloren hattest und wir nicht mehr unter dem Zeitdruck standen, bald zu heiraten.
Ich bat dich um Verständnis. Im Frühjahr wollte ich endgültig zurücktreten
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