Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
seiner Angebote, den ersten Schritt zu wagen, bestand ich darauf, dass ich als Erste mit Papa sprechen und ihm alles erzählen musste.
Mein Vater ahnte ohnehin schon, dass etwas nicht mehr so war wie früher, genauso wie ich bereits ahnte, was Kosta und mir blühen würde. Mein Vater und ich kannten uns in- und auswendig. Immer wieder fragte Papa mich in diesen Wochen: »Hast du mir nicht etwas zu sagen?« Ich schwieg. Ich wollte einfach nur mein Glück genießen und sehen, ob es sich lohnen würde, dafür zu kämpfen. Drei Monate lang schwieg ich. Bis es einfach nicht mehr ging.
Lieben
Ich bin Rola, die liebt. Alles ist neu. Meine ganze Welt ist verrückt. Ich träume von Kosta, dem wunderbaren Kosta mit der kräftigen Stimme und den eindringlichen Augen, vor dem ich und mein altes Leben einfach k. o. gegangen sind. Er hat so lange um mich gekämpft, bis ich mich nicht mehr wehren konnte. Es ist Sommer, und mein Leben ist schön, so schön wie noch nie. So schön, dass ich schreien könnte, schreien, weil es nicht nur unendlich schön, sondern unendlich schwierig ist, so schwierig, dass es mich zerreißt. Süße Höhen, eisige Tiefen. »Near, far, wherever you are, I believe that the heart does go on.«
Bis mein Herz aufhört zu schlagen. Ich falle in Ohnmacht. Einfach so, aus heiterem Himmel. Weil ich es nicht ertrage, dieses wunderschöne schreckliche Leben, das leicht sein sollte und doch schwer ist, bleischwer. So schwer, dass es mich von den Füßen holt. Ich liege im Krankenhaus und werde durchgecheckt, wieder und wieder. Sie finden nichts, ich bin gesund und bin es doch nicht, bin krank vor Liebe, nein, nicht krank vor Liebe, krank vor Angst, dass diese Liebe Unglück bringen könnte.
Ich bin mitten im Training, mitten in der Vorbereitung für einen WM-Kampf, topfit und kerngesund – sogar die Ärzte im Krankenhaus vermuten, dass es da irgendetwas gibt. Einen Schatten, ein Grauen, das über meiner Seele liegt und mir die Lebenskraft raubt, das mir so sehr Angst macht, dass ich nicht mehr aufrecht durchs Leben gehen kann. Ich weiß, was dieses Grauen ist, das jeden Tag größer und erschreckender wird: Das ist der Zorn meines Vaters, wenn er von meiner Liebe erfährt. Das Grauen darf nicht größer werden als die Liebe, aber die Furcht ist schlimmer, als ich es ertragen kann. Ich werde schon wieder ohnmächtig, sacke zusammen, bin weg von der Welt. Wieder finden die Ärzte nichts.
Meine Mutter, meine Geschwister und ich reisen nach Griechenland, damit ich ein wenig zur Ruhe komme. Da geht es mir besser, das Glück ist größer als die Angst, aber die kommt schnell wieder. Nachdem ich fünf Tage wieder im Training bin, wird mir auf dem Laufband schwindelig, ich bleibe stehen, und einmal mehr breche ich unter dem Druck zusammen. Kosta steht dabei und kann nichts tun. Er muss wie alle anderen Trainingspartner mitansehen, wie ich in den Rettungswagen gebracht werde, und darf meine Hand nicht halten. Das ist die Hölle für ihn, und das tut mir noch mehr weh. So kann es nicht weitergehen. Ich mache mich kaputt, obwohl ich doch glücklich sein sollte.
Ich will Kosta, und er will mich, so viel wissen wir.
Aber wissen wir auch, wie lange das mit uns beiden gehen wird? Ob es den Kampf lohnt, der uns jetzt bevorsteht? Wollen wir uns wirklich so sehr, dass wir uns gegen meinen Papa stellen, gegen meinen alten Lebensplan – für uns? Ist das Wir schon stark genug? Kann es das überhaupt sein? Jeden Tag wird es ein wenig kräftiger. Aber jeden Tag, an dem ich meiner Familie und vor allem meinem Vater nichts von Kosta erzähle, wird die Wut, die mich dann treffen wird, größer sein. Jeden Tag steigt der Druck. Jeden Tag wird die Angst davor größer, wie es sein wird, meinem Vater von uns zu erzählen. Ich muss nur warten, bis die Liebe stark genug ist, das auszuhalten, was uns erwartet, bis die Liebe stärker ist als der Zorn und die Ungerechtigkeit. Sie kann es. Sie braucht nur noch ein wenig Zeit.
Ich will unsere Liebe und uns nicht mehr länger verstecken, beschließe ich noch auf dem Weg in die Notaufnahme. Alle sollen es sehen: Rola und Kosta, Kosta und Rola. Wir beide gehören zusammen, wir sind zusammen. Ich will nicht wegen der Angst meine Gesundheit ruinieren. Was kommt, wird schlimm werden, aber es macht uns den Weg frei für ein gemeinsames Leben. Ein anderes Leben. Ich bin Rola, die krank vor Sorge im Rettungswagen liegt, obwohl ich der glücklichste Mensch der Welt sein sollte. Das muss
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