Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
aufhören.
Ich bin Rola, die Kosta liebt, und alle Welt soll es wissen dürfen. Auch mein Vater.
Wahrheit und Wut
Kaum war ich aus dem Krankenhaus entlassen, ging ich zu meinem Vater und sagte: »Ich muss mit dir reden. Es gibt da doch etwas, das ich dir erzählen muss.« Wir setzten uns also an einem Samstagnachmittag zusammen, und ich redete nicht lange drum herum: »Es gibt da jemanden. Ich habe jemanden kennengelernt, habe mich verliebt, und er hat sich in mich verliebt. Wir haben noch keine Beziehung, aber ich halte den Druck nicht mehr aus, dass wir uns verstecken müssen.« Mein Vater blieb ganz ruhig. Dann erklärte ich ihm auch gleich, dass es ein Problem gab: dass Kosta noch verheiratet war, aber gerade frisch getrennt, und dass noch niemand wirklich davon wisse. »Hat er denn Kinder?«, fragte mein Vater. »Nein«, sagte ich. Er darauf: »Ja, also, wo ist das Problem?«
Ich war völlig verblüfft, weil mein Vater gar nicht wie mein Vater reagierte. Er wiederholte immer wieder: »Das ist doch gar kein Problem. Wir können ihn ja kennenlernen, noch nicht offiziell und öffentlich, aber so gut, dass ihr Ruhe für euch habt und dass auch ein wenig Zeit vergeht. Die Leute müssen schon wissen, dass er getrennt ist.« Er sagte noch, dass er sich ein wenig umhören wolle in Ulm, was man so über Kosta sagte. Ich bat ihn, das diskret zu tun, weil ich nicht wollte, dass die Leute zu viel mitbekämen und tratschten. Ich bat ihn auch, Kosta unbedingt selbst kennenzulernen und sich sein eigenes Urteil zu bilden. Das versprach mein Papa beides, als wäre es für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Mein Vater reagierte so gelassen und vernünftig, dass ich es kaum glauben konnte. Er war wie ausgewechselt. Am selben Tag erzählte ich meiner Mutter und meiner Schwester von Kosta und dem Gespräch mit meinem Vater. Auch sie fanden seine Reaktion merkwürdig, völlig untypisch. Meine Mutter freute sich zwar für mich, aber sie sagte von Anfang an: »Ihr werdet nur Probleme haben.«
Am nächsten Morgen, einem Sonntag, war mein Vater dann nicht zu Hause. Wir suchten ihn in der Wohnung, und keiner wusste, wohin er gegangen sein könnte. Sonntag war doch sonst immer unser Familientag. Aber jetzt war Papa nicht da. Wie uns später Bekannte erzählten, war er um vier Uhr morgens aus dem Haus gegangen und ziellos durch die Stadt gelaufen, weinend und klagend. Er könne es nicht ertragen, dass ich ihn so enttäuscht hätte, soll er gesagt haben, er könne es nicht ertragen, dass ich ihm erst nach drei Monaten von meiner Liebe erzählt hätte. Da war es, das Drama, mit dem ich von Anfang an gerechnet hatte.
Um kurz nach sieben Uhr an diesem Sonntag kam mein Vater schließlich nach Hause und meinte: »Ich will diesen Menschen nie kennenlernen. Ich verbiete dir auch den Kontakt mit ihm. Du darfst ihn nicht sehen, du darfst nicht mit ihm reden!« »Was ist los?«, fragte ich. Er: »Du hast mir verheimlicht, dass du Kontakt mit ihm hast. Das war ein Vertrauensbruch.«
Der Vertrauensbruch und seine Enttäuschung waren Papas Begründung dafür, dass ich die Beziehung zu Kosta beenden sollte. Ohne Papas Wissen und Zustimmung hatte ich mit Kosta telefoniert, sogar im Gym mit ihm gesprochen. Ich, eine Frau von 25 Jahren. Es ging einfach nicht in Papas Kopf und erst recht nicht in sein Herz, dass ich »hinter seinem Rücken«, wie er es nannte, einen Mann kennen- und lieben gelernt hatte. Die Vorstellung war für ihn unerträglich.Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich nichts Unrechtes getan hatte und es gar nicht darum gegangen war, ihn zu hintergehen. Dass ich mir doch erst selbst über meine Gefühle hatte klar werden müssen, bevor ich etwas erzählte. Papa war aber ganz anderer Meinung. Demnach hätte ich gleich nach dem ersten Facebook-Chat zu ihm gehen und ihm sagen sollen: »Heute hat mir jemand geschrieben, ich habe ihm geantwortet, und es kann sein, dass ich mich in ihn verlieben werde.«
Mit vielem hatte ich gerechnet, aber damit nicht. Deshalb wurde diesmal ich wütend und fuhr Papa an: »Bist du eigentlich von dieser Welt? Sag mal, wo lebst du denn?« Egal, wie ich versuchte, ihm zu erklären, dass ich anfangs ja selbst nicht wusste, ob es über mich und Kosta je etwas zu erzählen geben würde, egal, wie sehr ich an seine Vernunft appellierte, ihn zu überzeugen versuchte, dass doch alles ganz normal gelaufen war, er blieb stur und beharrte darauf, dass ich von Anfang an mit ihm hätte sprechen müssen. Alles andere
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