Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
mich Kosta doch nur enttäuschen werde, was ich aber natürlich nicht begreifen könne, weil es meine erste Liebe sei. Es sei also jetzt seine Aufgabe als Vater, mich vor dieser Enttäuschung zu beschützen und mir diese negative Erfahrung zu ersparen. Ich stritt mit ihm. Fragte ihn, ob er vorhabe, auch in Zukunft alle Entscheidungen für mich zu treffen und mich um meine eigenen Erfahrungen zu bringen. Er blieb stur. Da hatte der gesunde Menschenverstand bereits ausgesetzt.
Dann begann er, mir Kosta schlechtzureden. Genug vermeintliche Informationen hatte er ja gesammelt. Aber auch diese Taktik funktionierte nicht. Kosta selbst hatte mich von Anfang an auf seine schlechten Eigenschaften hingewiesen und mir auch schon selbst seine Jugendsünden gestanden. Jeder Mensch hat doch seine Macken und hat im Leben schon einmal Mist gebaut, das war mir klar, aber ein 28-jähriger Kosta, der mir ehrlich davon erzählt, ist doch ein ganz anderer als ein 15-Jähriger, der Mist gebaut hat. Bei jeder Geschichte, die mir mein Vater über Kosta auftischte, konnte ich sagen: »Kenne ich schon, weiß ich schon, interessiert mich nicht.« Das brachte meinen Vater endgültig um den Verstand – einerseits das große Vertrauen zwischen Kosta und mir und andererseits meine stetige Widerrede. Ich, das kleine Mädchen, das 25 Jahre lang immer zu allem Ja gesagt hatte, schleuderte ihm plötzlich entgegen: »Das interessiert mich nicht!« Er, der all die Jahre lang sogar noch die Farbe meiner Boxschuhe und den Schnitt meines Box-Minirocks bestimmt hatte – er hörte plötzlich von mir: »Nein.« Und das nicht mehr nur, wenn es darum ging, dass ich meine Beziehung aufgeben sollte, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen. Ich wollte nicht mehr »Ja, Papa« sagen. Ich brach endlich aus unserem Familiengefängnis aus. Meine Liebe zu Kosta gab mir die Kraft dazu.
Dafür gab mein Vater zunächst nicht mir die Schuld, sondern Kosta. Sich selbst natürlich nicht. Dabei hat Kosta gar keine Schuld an dem, wie wir bisher gelebt hatten, und auch nicht daran, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Kosta war nur der Auslöser für das, was dann geschah, so etwas wie der Funke am Pulverfass. Dasselbe wäre passiert, hätte ich mich in einen anderen Mann verliebt. Oder wenn ich mich nicht verliebt hätte, sondern ein anderer Funke das Fass zur Explosion gebracht hätte. Kosta trifft keine Schuld.
Meine Mutter versuchte anfangs, auf ihre sanfte Art und Weise mit meinem Vater zu sprechen und zwischen uns zu schlichten. Sie sagte zu ihm: »Dass du nicht einverstanden bist, das ist dein Recht. Nicht jeder Vater muss den Freund der Tochter umarmen, vom ersten Tag an lieb haben und als künftigen Schwiegersohn sehen. Aber du hast nicht das Recht, so mit Rola umzugehen, und du hast auch nicht das Recht, ihr diese Entscheidung abzunehmen.«
Schon da begann mein Vater in seiner ohnmächtigen Wut, uns zu drohen. Er schrie, er würde uns alle niederschießen. Da, endlich, sagte auch meine Mutter nicht mehr Ja. Sie setzte eine Grenze. Und auch sie ließ sich plötzlich nicht mehr alles sagen und vorschreiben. Meine Schwester sowieso nicht. Wir drei hielten jetzt zusammen. Nur meine Schwester redete überhaupt noch mit meinem Vater, meine Mutter und ich sprachen gar nicht mehr mit ihm. Es war gespenstisch. Wir lebten zu fünft in einer Wohnung, doch jeder saß für sich in einem anderen Zimmer, und es wurde kaum noch gesprochen. Meinen kleinen Bruder, der für all das nichts konnte, traf das besonders hart. Er bekam den Streit natürlich genauso mit wie das eisige Schweigen, das nur zerrissen wurde durch wütendes Geschrei.
Dass es so extrem werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ein paar Monate Ärger und Streit, das hatte ich erwartet, aber ich war anfangs noch der festen Überzeugung gewesen, dass sich das legen und mein Vater irgendwann einsehen würde, dass ich mit Mitte 20 über mein eigenes Leben entscheiden konnte und er mich nicht mehr vor allem und jedem beschützen musste. Dass er verstehen würde, dass er seine Pflichten als Vater jetzt erledigt hatte, er bis hierhin alles gut gemacht hatte.
Aber statt abzuflauen, wurde der Streit immer heftiger, immer lauter, immer unerbittlicher. Wir bewegten uns immer weiter auseinander. Aus uns allen brachen Gefühle heraus, die so tiefgehend waren und so lange unterdrückt worden waren, dass es uns jetzt als Familie zerriss. Wir Frauen auf der einen Seite leisteten Widerstand, mein Vater auf
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