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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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wäre – es war nur die monatliche Überweisung meines Hauptsponsors. Mit Boxen an sich habe ich bisher nur ein einziges Mal etwas verdient: 2007 in Sölden beim Kampf gegen Borislava Goranova. Da bekam ich 100 Euro pro Runde, und weil ich alle Runden boxte, waren es am Ende 400 Euro. Mit Frauenboxen wird man nicht reich, auch nicht als Doppelweltmeisterin. Im November 2010 forderte das Finanzamt 4200 Euro Steuern zurück, die ich sofort bezahlte. Dann waren wir mittellos.
    Mein Vater, früher der großzügigste Mensch, den ich mir vorstellen konnte, wollte uns aushungern lassen. Bekannten erzählte er: »Ich will, dass jemand aus meiner Familie angekrochen kommt und sagt: ›Gib mir bitte Geld, ich muss einkaufen gehen.‹« Wir waren von dieser Brutalität schockiert. Er wollte uns alle hungern lassen, weil er mit mir zerstritten war. Dass sein kleiner Sohn und alle anderen mit hineingezogen wurden, war ihm gleichgültig.
    Ich glaubte zu wissen, warum ihn alle anderen Familienmitglieder plötzlich nicht mehr interessierten: Ich war sein Leben gewesen. Die anderen waren für ihn offenbar nur Nebendarsteller. Sein Ein und Alles waren nicht mein Bruder, meine Schwester oder meine Mutter – ich war es gewesen. Weil er mich jetzt nicht mehr beherrschen konnte, war ihm auch egal, ob bei meiner »Bestrafung« alle anderen in Mitleidenschaft gezogen wurden.
    Meine Mutter war in dieser Zeit sehr verängstigt, weil sie besser als wir alle wusste, zu was mein Vater in der Lage war. Sie bat mich, Papa nicht noch weiter zu provozieren, weil sie ahnte, dass uns noch viel Schlimmeres bevorstehen würde, wenn wir nicht klein beigaben. Bisher war er immer der Stärkere gewesen, hatte stets dafür gesorgt, dass wir nach seiner Pfeife tanzten. Das kam für mich jedoch nicht mehr in Frage. Wir mussten uns aus seinem Griff befreien, wir alle. Es war unsere einzige Chance auf eine lebenswerte Zukunft.
    Wir hörten auch in dieser Zeit wieder und wieder, dass mein Vater in der Stadt herumerzählte, er wolle mich töten oder Kosta oder auch die ganze Familie. Noch hielten wir das allerdings für leere Drohungen, aber kurz nach Weihnachten 2010 spitzte sich die Situation dramatisch zu.
    Der erste Schock kam am 29. Dezember. Plötzlich Sturmklingeln an unserer Tür. Wie verrückt. Ich ging an die Sprechanlage und fragte: »Wer ist da?« – »Mach sofort die Tür auf!«, brüllte mein Vater, man hörte ihn sogar durch die geschlossenen Fenster und Türen vom Erdgeschoss zu uns herauf. Ich öffnete ihm tatsächlich die Tür, und da stand er auch schon in der Wohnung, seine Hände und seine Jacke waren blutverschmiert, er schrie mich an, packte mich und zerrte mich ins Wohnzimmer. Mein kleiner Bruder und mein Cousin waren in der Küche und versteinerten. »Ich hab ihn fertiggemacht!«, brüllte mein Vater »Ich hab ihn kaputt geschlagen! Der hat geheult wie eine Frau!« Ich wusste nicht, was los war oder was mit mir passieren würde. Papa war völlig außer sich, schrie immer weiter: »Da siehst du, wozu du mich getrieben hast. Ich habe ihn fertiggemacht. Der liegt jetzt im Krankenhaus.« Da begriff ich, dass er Kosta meinte – und war zunächst beruhigt. Denn eine halbe Stunde zuvor hatte ich mit ihm telefoniert, da war noch alles in Ordnung gewesen. Wie schon bei anderen Gelegenheiten zeigte ich mich daher bewusst unbeeindruckt vom Toben meines Vaters, dachte, er würde wieder einmal nur eine Show abziehen. »Ja, gut«, sagte ich betont ruhig, »sonst noch was? Wenn du sonst nichts zu sagen hast, denn geh.« Ich wollte ihn ganz einfach rauswerfen. Doch da wurde er nur noch wilder. Er fuchtelte mit seinen blutverschmierten Händen vor meinem Gesicht herum und brüllte: »Da, guck, hier, das ist sein Blut!«
    Die Gesten meines Vaters kannte ich in- und auswendig, und ich kannte ihn so gut, dass ich in dem Moment wusste, dass er keine Show abzog. Sondern dass er Kosta wirklich verletzt hatte. Das war zu viel für mich. Ich sah Kostas Blut an seinen Händen und drehte völlig durch. Zum ersten Mal in meinem Leben schlug ich, die aus Angst und Respekt bisher nie auch nur die Stimme gegen ihn erhoben hatte, meinen Vater. Ich war nicht mehr ich selbst. Ich trat und prügelte auf ihn ein. In dem Moment sah ich da nicht meinen lieben Papa stehen, sondern nur ein Monster mit Kostas Blut an seinen Händen. Meine Mutter kam ins Zimmer, doch ich schlug und trat weiter, schubste diesen Mann, den ich nicht kannte, gegen die Wand, mit aller Kraft,

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