Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
Vom Netzwerk:
ist schon der zweite Vater, den ich in diesem Leben verliere. Ich habe keinen Vater mehr. Ich bin Rola, die hier in diesem schrecklichen Raum gerade als Tochter eines Vaters gestorben ist, an den Kugeln des Mannes, der einmal mein geliebter Papa war.
    Ich bin Rola, die kämpft, auf den Tisch haut, wirbelt, vergibt. Das will ich sein. Das soll mein Leben werden. Heute ist für mich kein Tag zum Sterben. Ich werde aus diesem langsam kalt werdenden See von Blut aufstehen. Weil ich Rola bin, die lebt.

Der Moment des größten Schmerzes
    Es war schnell vorbei. Ich lag kraftlos auf dem Boden, und eine Polizistin vom SEK namens Jenny streichelte mein Gesicht. Das Ende war ganz schnell gekommen, mein Vater hatte die Pistole aus der Tür geschoben, da war das SEK auch schon im Raum und überwältigte ihn, und einer der Beamten sprang auf mich zu und fragte: »Sind Sie verletzt?« Darüber kann ich heute lachen.
    Dann lag ich da, kraftlos, und sie begannen, mir die Schuhe aufzuschneiden und sie mir ganz langsam und vorsichtig auszuziehen. Ich hörte, wie der Ring zu Boden fiel, und ich schrie wieder, vor Schmerzen, ich schrie, als sie mir den rechten Schuh auszogen: »Mein Fuß ist gebrochen!«, und hörte den Sanitäter sagen: »Vierte Schussverletzung.« Erst da merkte ich, dass auch mein anderer Fuß verletzt und blutig war.
    Zwischen den Schreien fragte ich: »Warum hat er das gemacht? Warum? Ich hab doch nichts falsch gemacht.« Jenny streichelte mein Gesicht.
    Endlich kam auch ein Arzt und versuchte, mir einen Venenzugang zu legen. Das ging aber nicht mehr, meine Venen waren komplett zu. Ich nahm meine Umgebung nur noch schemenhaft wahr, redete wirr, lag einfach da. Ich hörte aber, wie der Arzt sagte: »Gib mir die Bohrmaschine«, und ich bekam auf einmal furchtbare Angst. Jenny versuchte, mich zu beruhigen, und erklärte mir, das sei keine richtige Bohrmaschine, sondern eine medizinische. Sie drehte auch mein Gesicht weg, sodass ich nicht zusehen konnte, wie die Sanitäter und der Notarzt arbeiteten. Jenny versprach mir, dass meine Schmerzen bald weg sein würden, aber da überrollte mich der Schmerz erst richtig. Mein gesamter Körper war ein einziger Schmerz. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, meine ganze Kraft war aufgebraucht, meine Sinne schwanden.
    Den Bohrer sah ich aber doch, hörte ihn losheulen, grell und gemein, und ich schrie wieder, vor Angst und Entsetzen, denn der Arzt stand mit der Bohrmaschine in der Hand über mir. Er bohrte mit einer sehr langen, dünnen Nadel über dem Knie in mein Bein, und ich staunte in dem Moment, dass das nicht einmal mehr wehtat. Dann kam der schlimmste und ekelhafteste Schmerz, den ich in dieser ganzen Zeit erlebte. Ich schrie mit letzter Kraft, und Jenny weinte mit mir. Dann kam ein Brennen, als ob mein ganzes Bein in glühendes Metall getaucht würde. Und dann war es vorbei. Die Erlösung.
    Sie gaben mir Schmerz- und Beruhigungsmittel direkt in mein Knochenmark, das wirkte sofort. Ich war euphorisch, innerhalb von Sekunden, und begann, Jenny irgendwelchen Blödsinn zu erzählen. Dass ich schon sehr lange boxe und anderen Kram. Die Sanitäter verbanden mich und hoben mich auf eine Trage. In dem Moment erinnerte ich mich an den Ring, den ich hatte fallen hören. Kostas Ring! Jenny suchte ihn für mich und steckte ihn mir an den Finger.
    Dann rollte man mich aus dem Raum. Mein Vater saß im Gang auf einem Stuhl, sie hatten ihn noch nicht weggebracht. »Bitte verzeih mir«, flehte er und dann gleich nochmals: »Bitte verzeih mir« und ein drittes Mal auf Arabisch: »Sameheni.«
    Draußen vor dem Gebäude merkte ich, dass Leute mich anstarrten, sah Kameras und Blitzlichter, während ich in den Krankenwagen geschoben wurde. Die letzte Erinnerung, die ich an diesen Abend habe, ist die, wie mir der Sanitäter eine Sauerstoffmaske auf das Gesicht drückt. Aber mehr Erinnerungen brauche ich auch nicht an diesen Tag.

Löcher im Körper und Angst in der Seele
    Auf der Intensivstation erwachte ich wieder. Das Erste, was ich sah, waren meine Mutter und meine Schwester. Auch mein Bruder war im Zimmer, aber ich sah ihn nicht. Meine erste Frage war: »Wo ist Kosta?« Meine Mutter beruhigte mich: »Er ist nur kurz raus, etwas zu trinken holen.«
    Tatsächlich war Kosta zu der Zeit noch unterwegs von Ulm nach Berlin. Sein Neffe, der in Berlin dabei war, hatte ihn sofort angerufen, und Kosta war gleich ins Auto gesprungen und losgefahren. Doch Kostas Handy-Akku war leer, und er stand

Weitere Kostenlose Bücher