Steife Prise
in seiner Hosentasche und zog ein kleines, sehr, sehr sorgfältig umwickeltes Päckchen hervor, das er Fräulein Kefer mit einem flehenden Blick reichte. »Ich glaube, das hat dem toten Mädchen gehört«, sagte er. »Ein Ring aus Stein mit einer kleinen blauen Perle darin. Würden Sie dafür sorgen, dass ihn jemand erhält, der ihn auch wertschätzt?« Sie besaß nicht mehr als einen Steinring, dachte er, und sogar den hat man ihr weggenommen.
Es gab Zeiten, zu denen die Welt keine Polizisten brauchte, sondern eher jemanden, der wusste, wie man den ganzen Laden dichtmachte und noch einmal von vorn anfing, und zwar dieses Mal richtig …
Doch bevor die Verzweiflung völlig von ihm Besitz ergreifen konnte, war Fräulein Kefer schon wieder zurück. »Wie passend, dass Sie diese Frage gestellt haben, Kommandeur!«, sagte sie aufgeregt. »Es fehlt tatsächlich einer! Unggue Katz!«
Wie jeder waschechte Polizist konnte Mumm jederzeit abgrundtiefes Unverständnis zum Ausdruck bringen. Er strahlte das helle Leuchten der Ahnungslosigkeit aus, was jedoch völlig in Ordnung ging, denn Fräulein Kefer war darauf vorbereitet, den Quell der Information zu spielen. »Sie wissen bestimmt, wie alle anderen auch, Kommandeur, dass die Goblins auf sozusagen religiöse Art und Weise gewisse körperliche Ausscheidungen in Töpfen aufbewahren. Das hängt mit dem Glauben zusammen, dass sie bei ihrer Beerdigung mit ihrem Körper wiedervereint werden müssen. Die Tradition verlangt von jedem Goblin, und zwar ohne Ausnahme, dass er das Unggue Had befolgt, die Dreieinigkeit aus Nasenschleim, abgeschnittenen Nägeln und Ohrenschmalz. Bei dem fehlenden Topf in unserem Fall handelt es sich um den Topf des Katz, der die abgeschnittenen Finger- und Fußnägel enthält. Lassen Sie sich nicht von dem Wort ›Katz‹ in die Irre führen, es hat überhaupt nichts mit Katzen zu tun … Es liegt eher daran, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Silben auf der Welt gibt.«
»Und Sie haben erst jetzt davon erfahren, dass er fehlt, Fräulein Kefer?«
»Ich bin seit gestern nicht mehr hier oben gewesen, und Sie können sich vielleicht vorstellen, dass es momentan nicht ganz einfach ist, mit ihrer Familie zu reden …«
»Verstehe«, sagte Mumm, obwohl er nicht sehr viel davon verstanden hatte. Immerhin spürte er, dass irgendwo in der Dunkelheit seines Verstandes eine kleine Perle aus Licht schimmerte. Er sah wieder zu Klein-Sam hinüber, der den Topfmacher mit allen Anzeichen kriminaltechnischen Interesses beobachtete. Ganz mein Junge, dachte er. Laut sagte er: »Haben sie nach dem Topf gesucht?«
»Überall, Kommandeur, sogar draußen. Das Gefäß dürfte ziemlich klein sein. Sie müssen wissen, dass jeder Goblin mehrere Töpfe anfertigt, die er irgendwo tief in der Höhle aufbewahrt. Ich weiß auch nicht, wo sie sich befinden, obwohl sie mir bei den meisten anderen Dingen vertrauen. Es hat damit zu tun, dass die Menschen Töpfe stehlen. Aus diesem Grund fertigen die meisten Goblins vergleichsweise kleine Töpfe für den täglichen Gebrauch an oder wenn sie die Höhle verlassen müssen; später gießen sie den Inhalt dann stillschweigend in die größeren Töpfe.« Sie versuchte zu lächeln. »Das kommt Ihnen bestimmt sehr fremd vor, Herr Kommandeur, aber das Herstellen und die Befüllung der Töpfe ist für sie die eigentliche Religion.«
An diesem Punkt hielt es Samuel Mumm nicht für angebracht, seine Ansichten hinsichtlich der Töpfe kundzutun, deshalb beschränkte er sich auf ein: »Ist es möglich, dass ein anderer Goblin den Topf gestohlen hat? Und wie groß wäre ›ziemlich klein‹?«
Fräulein Kefer warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Wenn Sie mir bei irgendetwas vertrauen, Kommandeur, dann vertrauen Sie mir bitte in dieser Hinsicht. Kein Goblin würde im Traum daran denken, den Topf eines anderen Goblins zu stehlen. Allein der Gedanke liegt jenseits ihrer Vorstellung, das kann ich Ihnen versichern. Die Größe? Die dürfte etwa der einer Puderdose oder auch einem Behälter für Schnupftabak entsprechen. Außerdem glänzen sie wie Opale.«
»Aha«, brummte Mumm, »verstehe«, und er dachte: Prächtige Farben im Dunkeln. Dann sagte er: »Ich möchte die Angelegenheit nicht unnötig verkomplizieren, aber dürfte ich wohl einen anderen der Töpfe dieser armen Frau ausborgen? Es könnte sein, dass ich ihn brauche, um den Leuten zu zeigen, wonach ich eigentlich suche.«
Fräulein Kefer machte wieder ein erstauntes Gesicht. »Das ist
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