Steife Prise
kleinen Zwischenspiel erfrischt und aufgemuntert, trabte Mumm den Weg in Richtung Hügel hinauf und traf Tränen-des-Pilzes und Fräulein Kefer vor der Tür ihres Häuschens an. Allem Anschein nach hatten sie Äpfel gesammelt und mehrere Körbe mit dem köstlichen Obst gefüllt. Es sah fast so aus, als lächelte Tränen-des-Pilzes ihn an, aber wie konnte man sich diesbezüglich sicher sein? In den Gesichtern von Goblins konnte man nur sehr schwer lesen.
Wie verabredet wurde der Topf wieder gegen das Bild ausgetauscht, und Mumm entging nicht – schon deshalb, weil er es sich zum Prinzip gemacht hatte, dass ihm nichts entging –, dass sowohl er als auch das Mädchen ihre kostbaren Besitztümer so verstohlen wie möglich untersuchten, um den jeweils anderen nicht zu beleidigen. Außerdem meinte er, gehört zu haben, dass Fräulein Kefer einen erleichterten Seufzer unterdrückte. »Habt Ihr den Mörder gefunden?«, erkundigte sie sich, besorgt zu ihm gebeugt. Dann wandte sie sich an das Mädchen: »Geh schon rein, mein Liebes, ich muss noch etwas mit dem Herrn Kommandeur besprechen, ja?«
»Sehr wohl, Fräulein Kefer. Ich gehe nach drinnen, ganz wie Sie wünschen.«
Da war es wieder: eine Sprache aus lauter kleinen Schachteln, die auf Wunsch auf- und zuklappten. Das Mädchen verschwand im Haus, und Mumm sagte: »Ich habe erfahren, dass sich in der Mordnacht zwei Männer in der Kneipe aufgehalten haben, von denen einer mit Sicherheit einen Topf dabeihatte. Keiner von beiden ist, wie man mir versichert hat, eine ausgesprochene Stütze der Gesellschaft.«
Fräulein Kefer klatschte in die Hände. »Na, wunderbar! Dann können Sie die Ganoven ja ruckzuck hoppnehmen!«
Samuel Mumm war immer peinlich berührt, wenn Zivilisten mit ihm im »Polizeijargon« zu reden versuchten. Am liebsten hätte er sie dann überhaupt nicht mehr als Zivilisten angesehen. Was war ein Polizist denn anderes als ein Zivilist mit einer Uniform und einer Dienstmarke? Heutzutage wurde der Begriff jedoch immer öfter benutzt, um damit Leute zu beschreiben, die keine Polizisten waren. Eine gefährliche Angewohnheit: Sobald Polizisten keine Zivilisten mehr waren, konnten sie eigentlich nur noch Soldaten sein. Er seufzte. »Soweit ich weiß, junge Frau, verstößt es keineswegs gegen das Gesetz, einen Goblin-Topf zu besitzen. Und genau genommen verstößt es auch nicht gegen das Gesetz, wenn man von anderen als keine Stütze der Gesellschaft beschrieben wird. Kennzeichnen Goblins ihre Töpfe irgendwie?«
»Allerdings. Goblin-Töpfe lassen sich jederzeit identifizieren. Haben diese Verbrecher denn einen Modus Operandi ?«
Mumm zuckte innerlich zusammen. »Nein, und ich glaube auch nicht, dass sie wüssten, was das ist, wenn es direkt vor ihnen stehen würde.« Er versuchte betont ernst zu klingen, denn Fräulein Kefer erweckte ganz den Eindruck, als könnte sie im nächsten Augenblick einen Bluthund und ein Vergrößerungsglas hinter ihrem Rücken hervorziehen.
Da ergoss sich auf einmal ein Regenbogen aus herrlichen Klängen über seine Welt, Musik, die aus dem offenen Fenster des Häuschens herausperlte. Mumm vergaß das Gespräch auf der Stelle und lauschte mit offenem Mund.
Seine Gnaden und seine Exzellenz, der Herzog von Ankh, Kommandeur Sir Samuel Mumm machte sich normalerweise nicht viel daraus, Aufführungen klassischer Musik beizuwohnen, eigentlich überhaupt keiner Musik, die man nicht auf dem Weg nach Hause nachpfeifen konnte. Aber offensichtlich brachte es das Dasein als feiner Pinkel so mit sich, zur Oper zu gehen, außerdem zum Ballett und zu so vielen Musikaufführungen, wie Sybil ihn mitzuschleppen vermochte. Zum Glück hatten sie im Allgemeinen eine Loge, und Sybil bestand meistens nicht darauf, ihn, nachdem sie ihn schon zur Vorführung gezerrt hatte, anschließend auch noch immer wieder aus dem Schlaf zu reißen. Trotzdem war das eine oder andere bis zu ihm durchgedrungen, jedenfalls genug, um ihm jetzt klarzumachen, dass das, was er da gerade hörte, der wahre, anspruchsvolle Stoff war: Man konnte nicht mitsummen, und niemand grölte zwischendurch »Hoppla, hier haste ’ne Banane!« Es war der reinste Quell der Musik, ein Klang, der einen fast dazu brachte, auf die Knie zu sinken und zu versprechen, ab sofort ein besserer Mensch zu werden. Mumm drehte sich wortlos zu Fräulein Kefer um. Fräulein Kefer sagte: »Sie spielt sehr schön, findet Ihr nicht?«
»Das ist doch eine Harfe, oder? Ein Goblin, der Harfe
Weitere Kostenlose Bücher