Steife Prise
bebte. Er wandte sich an die Frau mit dem Kind, um die sich Volker in der Zwischenzeit gekümmert hatte, grüßte knapp und zückte seine sorgfältig verborgene Dienstmarke. »Ich bin Kommandeur Mumm von der Stadtwache Ankh-Morpork. Hat dieser Mann Sie oder das Mädchen in irgendeiner Weise misshandelt?«
Die Frau hatte sich kaum gerührt. Sie erinnerte ihn an eine jüngere Sybil, ruhig und besonnen, eher aufs Kämpfen als aufs Schreien aus, aber auch kämpfen würde sie erst, wenn sie dazu bereit war. »Es ging alles ziemlich schnell, Kommandeur. Ich wollte gerade Grazia zu Bett bringen. Die Halunken haben sich als Eigentümer irgendeiner Fracht eingeschlichen und sich zuerst ganz ordentlich benommen, bis mein Mann sagte, dass das Wetter seiner Meinung nach richtig übel werden würde. Ich war in der Kombüse und habe nur gehört, dass sie laut stritten, und dann haben sie uns hier heruntergebracht. Ich persönlich würde es durchaus gutheißen, wenn Sie diese Kerle ohne Ausnahme umbringen würden, aber das Leben ist ja nun mal keine Vergnügungsreise. Was diesen Kerl hier angeht … Stimmt schon, er hätte auch weniger anständig sein können. Deswegen wäre ich damit einverstanden, wenn Sie ihn ohne ein schweres Gewicht am Bein über Bord werfen.«
Volker lachte. »Da braucht’s keine Gewichte! Der Fluss lässt es ordentlich krachen, und wir sind alle eingeladen! Ich kann ziemlich gut schwimmen, aber in das da draußen würde ich freiwillig nicht reinspringen.«
Mumm packte Keckwitz und schaute ihm tief in die Augen. Kurz darauf sagte er: »Nein, ich weiß, wie Mörderaugen aussehen. Was nicht heißt, dass du kein Pirat bist! Deshalb behalten wir dich weiterhin im Auge, also keine dummen Faxen. Ich vertraue dir. Und mögen die Götter dir gnädig sein, falls ich mich getäuscht habe.«
Keckwitz wollte etwas sagen, aber Mumm war noch nicht fertig: »Du könntest dir dein Leben ein bisschen erleichtern und vielleicht auch verlängern, Keckwitz, indem du mir verrätst, wie viele von eurer lustigen Schurkentruppe an Bord der Ditte sind.«
»Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wer alles noch am Leben ist, verstehen Sie?«
Mumm sah die Frau an. Das Schiff schlingerte wieder. Es war ein komisches Gefühl: Zuerst fühlte sich Mumm einen Augenblick schwerelos, dann rührte sich etwas im Kuhstall hinter ihnen, zwischen den großen, sich im Kreise drehenden Rädern. Als er sein Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, sagte er: »Ich nehme doch an, dass Sie Frau Sillenbrock sind?«
Sie nickte. »Allerdings, Kommandeur.« Das kleine Mädchen klammerte sich noch fester an sie. »Ich weiß, dass mein Mann noch lebt, weil auch wir noch leben. Noch .« Sie verstummte, als die nächste Woge das ganze Schiff hochhob. Dann sackte die Ditte mit lautem Platschen nach unten, setzte mit einem die Wirbelsäule stauchenden dumpfen Schlag auf, auf den das langgezogene Brüllen eines eindeutig empörten Ochsen folgte – und ein gellender Schrei.
Mumm, Volker und Keckwitz kamen wieder auf die Beine. Frau Sillenbrock und ihre Tochter standen erstaunlicherweise immer noch aufrecht. Die Kapitänsfrau lächelte grimmig. »Das, was Sie da eben gehört haben, war ein sterbender Pirat. Was mich sehr erfreut, denn das wiederum bedeutet, dass alle anderen im Kuhstall noch am Leben sind. Soll ich Ihnen sagen, warum? Der Kerl ist mit Sicherheit nicht gehüpft! Dieses heftige Auf und Ab sind für mich nur kleine Schwankungen. Irgendwo hinter uns baut sich ein gewaltiger Verdamm auf, von dem immer wieder einzelne Stücke abreißen und mit großer Geschwindigkeit hinter uns hergerast kommen, verstehen Sie, wobei sie den Wasserspiegel im Vorüberziehen kurzzeitig an- und wieder abschwellen lassen, wie ein großer, ins Wasser geworfener Felsbrocken. Wenn man diesen Moment gut abpasst, kann man in seinem Rhythmus tanzen! Denn wenn man nicht im Rhythmus des Flusses tanzt, tanzt man schon bald mit dem Teufel! Als die Kerle das Schiff übernommen haben, ist ein Mann mit einer Armbrust dort hinuntergegangen. Es hat sich ganz so angehört, als sei er mit diesem Tanz nicht sehr vertraut. Wahrscheinlich hat Doppelpack-Kalle die halbe Portion erwischt, als sie auf dem Boden lag. Kalle ist unser Ochsenknecht. Wenn der einen Mann nur einmal erwischt, muss ihn nie wieder jemand schlagen.« Frau Sillenbrock sprach mit sachlicher, zufriedener Stimme. »Wer von unserer Ditte etwas stehlen will, der muss sich auf ein paar Unannehmlichkeiten einstellen.«
Und ich
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