Steife Prise
zu sehen. Er wurde als »der Überaus Geschätzte und Mutige Kommandeur Mumm« hofiert – er hasste diesen Schwachsinn, war jedoch, durch Sybils gütigen, aber wachsamen Blick gewarnt, so klug, seine Ansichten nicht kundzutun, zumindest nicht mit diesen Worten. Also grinste er und ertrug alles, während die Frauen wie riesige Nachtfalter um ihn herumflatterten und er sich immer neuer Teekuchen und frisch gefüllter Teetassen erwehren musste. Letztere wären eigentlich höchst willkommen gewesen, hätten sie nicht so ausgesehen und geschmeckt wie das, in was sich Tee verwandelt, kurz nachdem man ihn getrunken hatte. Samuel Mumm trank sehr gerne Tee, aber seiner Meinung nach hatte ein Gesöff, bei dem man bereits den Boden sehen konnte, solange es noch in der Tasse war, diesen Namen nicht verdient.
Schlimmer noch als das Zeug, das man ihm anbot, war die Unterhaltung, die sich hauptsächlich um Damenhauben drehte, ein Thema, bei dem seine Ignoranz geradezu bewundernswert, wenn nicht verehrungswürdig war. Außerdem scheuerte seine elende Kniebundhose, auf der Sybil bestanden hatte. Ihrer Ansicht nach sah er darin nicht nur sehr elegant aus, sondern sogar wie ein richtiger Gutsbesitzer. Mumm kam zu dem Schluss, dass Gutsbesitzer in der Leistengegend irgendwie anders konstruiert sein mussten.
Außer ihm und Lady Sybil war noch ein junger Vikar aus Omnien anwesend, schlauerweise in eine üppig wallende schwarze Robe gekleidet, die ihm vermutlich keinerlei Probleme im Schritt bereitete. Mumm hatte keine Ahnung, weshalb der junge Mann sich dort aufhielt – aber wahrscheinlich brauchten die jungen Damen jemanden, den sie mit labbrigem Tee, verdächtig aussehendem Gebäck und schwachsinnigem Geplapper abfüllen konnten, auch wenn jemand wie Mumm gerade nicht da war. Nachdem das Thema »Hauben und anderer Kopfputz« seinen Reiz verloren hatte, schienen nur noch das Thema »Erbschaften« und die Aussicht auf die bevorstehenden Festbälle übrig zu bleiben. So war es unvermeidlich, dass Mumm, in Anbetracht seiner nervösen Unruhe in weiblicher Gesellschaft, einer wachsenden Abneigung gegen urinfarbenen Tee und so seichter Unterhaltung, dass sich nicht einmal eine Mikrobe darin hätte ersäufen können, sagte: »Entschuldigung, meine Damen, aber womit genau … Äh, ich meine, was tun Sie eigentlich den lieben langen Tag? Als Beruf, meine ich?«
Die Frage rief fünf ungekünstelt verständnislos dreinblickende Mienen auf den Plan. Mumm konnte die Töchter nicht auseinanderhalten, bis auf Emily, die einem sofort im Gedächtnis – und wahrscheinlich auch in so mancher Türöffnung – hängen blieb und die jetzt im Tonfall der leicht Ahnungslosen sagte: »Entschuldigt, Herr Kommandeur, aber ich glaube, wir haben nicht recht verstanden, was Ihr soeben zu sagen geruhtet.«
»Ich meinte nur … also … womit verdienen Sie Ihr Geld? Sind Sie irgendwo angestellt? Wo kommen jeden Tag die Brötchen her? Welcher Arbeit gehen Sie nach?« Mumm empfing keinerlei Signale von Sybil, weil er ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber die Mutter der Mädchen starrte ihn in schadenfroher Erwartung an. Na schön, wenn er ohnehin eins aufs Dach kriegen würde, dann kam’s darauf jetzt auch nicht mehr an. »Ich meine damit, verehrte Damen«, sagte er, »womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Wo kommt das ganze Geld her? Mal abgesehen von einem erstaunlich umfassenden Wissen über schicke Hauben, verfügen Sie noch über weitere Begabungen? Können Sie vielleicht kochen, nur mal so als Beispiel?«
Eine andere Tochter – womöglich Mavis, aber das blieb eine Vermutung von Seiten Mumms – räusperte sich und sagte: »Glücklicherweise, Herr Kommandeur, haben wir für derlei Angelegenheiten unsere Diener. Wir sind vornehme Damen, wisst Ihr? Für uns wäre es völlig undenkbar, irgendwo ins Büro zu gehen oder sonst einen Beruf auszuüben. Was wäre das für ein Skandal! So etwas tun wir einfach nicht.«
Mittlerweile schien ein Wettkampf darüber ausgebrochen zu sein, wer wen zuerst aus der Fassung brachte. Also legte Mumm nach: »Haben Sie denn nicht eine Schwester im Holzgeschäft?«
Es war erstaunlich, dachte er, dass weder die Mutter der Mädchen noch Sybil sich bis jetzt an der Unterhaltung beteiligt hatten. Statt dessen sah es so aus, als wollte die nächste Schwester (vielleicht Amanda?) etwas sagen. Warum um alles in der Welt trugen sie alle nur diese lächerlichen, durchscheinenden Kleider? In solch hauchdünnen Fähnchen konnte man
Weitere Kostenlose Bücher