Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
den Satz in die Kalkgrube gleich neben dem Galgen rufen.«
    Willikins grinste noch breiter. »Vielen Dank, gnädiger Herr. Ich muss Euch nicht eigens sagen, wie viel mir das bedeutet. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich möchte nur rasch meine Jacke in den Brennofen werfen, ehe ich mich für die Nacht zurückziehe.«
    Sybil drehte sich um und gab ein tiefes, wohliges Geräusch von sich, als Mumm sich neben sie ins Bett legte. Es war ein langer Tag gewesen, und so versank er sofort in dem rosigen, halbwachen Dusel, der sogar noch schöner als der Schlaf selbst ist – und wachte fast alle Stunden pünklich auf, als niemand unten auf der Straße mit der Glocke schepperte, um zu verkünden, dass alles in Ordnung sei.
    Dann wurde er wieder wach, als schwere Wagenräder über Steine rumpelten. Der Argwohn riss ihn aus dem Schlaf. Steine? Um das Gut herum lag doch überall bloß Kies. Er machte ein Fenster auf und schaute hinaus ins Mondlicht. Das Geräusch hallte aus den Bergen herüber. Die wenigen Gehirnzellen, die die Nachtschicht übernommen hatten, fragten sich, welche Art von Landwirtschaft in der Nacht betrieben wurde. Bauten sie dort Pilze an? Mussten die Rüben rechtzeitig vor dem Frost eingebracht werden? Handelte es sich um das, was allgemein Fruchtfolge genannt wurde? Derlei Gedanken schmolzen in Mumms Gehirn wie kleine Zuckerkristalle in einer Tasse Tee, sickerten und tropften von Zelle zu Synapse zu Neurotransmitter, bis sie in dem Rezeptor mit der Aufschrift »Argwohn« angelangt waren. Letzterer wäre auf dem medizinischen Schaubild eines Polizistengehirns ein ziemlich dicker Klumpen, größer sogar als der Klumpen mit der Aufschrift »Fähigkeit, lange Worte zu verstehen«. Mumm dachte: »Aha, Schmuggler!«, schloss gutgelaunt und zuversichtlich das Fenster und legte sich wieder ins Bett.
    Das Essen auf Gut Käsedick war reichhaltig und üppig und höchstwahrscheinlich so gut wie alles, was auf -ig endete. Mumm war alt genug, um zu wissen, dass das leitende Personal die Reste essen durfte und dafür sorgte, dass es stets genügend Reste gab. Zufrieden nahm er sich eine große Portion von dem Schellfisch mit Reis und hartgekochten Eiern und verputzte alle vier Speckscheiben auf seinem Teller. Sybil bedachte sein Tun mit einem leisen Tststs , aber Mumm wies sie darauf hin, dass er schließlich Urlaub habe, und im Urlaub machte man nicht das, was man sonst immer machte. Worauf Sybil mit kriminaltechnischer Akkuratesse anmerkte, dass sich das wohl auch auf seine Polizeiarbeit beziehen sollte, aber ein vorbereiteter Mumm konterte damit, dass er das selbstverständlich einsehen würde, weshalb er auch gleich anschließend mit Klein-Sam ins Dorf spazieren wolle, um seine Verdachtsmomente dem hiesigen Polizisten mitzuteilen. »Na, dann ist es ja gut«, erwiderte Sybil mit absichtlich ungläubigem Unterton und wies ihn an, auf alle Fälle Willikins mitzunehmen.
    Auch das war eine Seite an seiner Frau, die Mumm bis ins Mark verunsicherte. So wie Sybil der Meinung war, dass Nobby Nobbs zwar ein ungeschliffener Diamant, aber eine gute Wache sei, glaubte sie, Mumm sei in Begleitung eines Mannes sicherer, der sich nie unbewaffnet auf die Straße begab und einmal sogar eine Bierflasche mit den Zähnen eines anderen aufgemacht hatte. Das stimmte zwar, war in gewisser Hinsicht jedoch sehr befremdlich.
    Er hörte es klingeln, hörte, wie der Diener die Tür aufmachte, hörte eine gedämpfte Unterhaltung und dann Schritte auf dem Kiesweg, der zur Rückseite des Gutshauses führte. Reines Hintergrundrauschen, ebenso wie das Geräusch eines Dieners, der ins Zimmer kam und Sybil etwas zuflüsterte.
    Er hörte, wie sie »Was?« sagte, kurz darauf: »Na, dann bring ihn lieber gleich herein«, und dann nahm Mumm Haltung an, als sie ihn ansprach. »Es ist der Polizist aus dem Dorf. Empfängst du ihn bitte im Arbeitszimmer? Polizisten putzen sich nie richtig die Schuhe ab, besonders du nicht, Sam.«
    Mumm war noch nie im Arbeitszimmer gewesen. Dem Gut schienen die Zimmer nie auszugehen. Nachdem er sich von einem Dienstmädchen, das sich sofort zur Wand drehte, den Weg hatte zeigen lassen, traf er im Arbeitszimmer ein, kurz bevor der Dorfpolizist von einem Diener hereingeführt wurde. Der Diener machte ein Gesicht, als müsste er eine tote Ratte entsorgen. Der Gast schien jedenfalls der Dorfpolizist zu sein, obwohl er eher wie der Sohn des Dorfpolizisten aussah. Mumm schätzte ihn auf siebzehn Jahre, und er roch nach

Weitere Kostenlose Bücher