Steife Prise
viel davon geronnen war, sagte Volker: »Eure Gattin ist eine sehr bemerkenswerte Frau, gnädiger Herr.«
Mumm nickte. »Sie haben ja keine Ahnung. Was haben Sie denn jetzt vor, Herr Hauptwachtmeister?«
Der Junge zögerte. Genau diese Wirkung hatte Sybil auf jeden. Allein durch ihre ruhige und besonnene Redeweise ließ sie einen daran glauben, die Welt hätte sich um hundertachtzig Grad gedreht und sei einem auf den Kopf gefallen.
»Ja, also, gnädiger Herr, ich muss Sie wohl der Richterschaft vorführen?«
Mumm fiel das kleine Fragezeichen sofort auf. »Wer ist Ihr Vorgesetzter, Volker?«
»Die soeben erwähnte Richterschaft.«
Mumm ging die Treppe hinunter, und Volker eilte ihm nach. Mumm wartete, bis der Junge richtig rannte, dann blieb er stehen, und Volker prallte gegen ihn. »Ihr Vorgesetzter ist das Gesetz, Hauptwachtmeister, vergessen Sie das nie. Eine der Aufgaben des Gerichts besteht gerade darin sicherzustellen, dass Sie es nicht vergessen! Haben Sie überhaupt einen Eid abgelegt? Wie lautete er? Wem gegenüber haben Sie ihn abgelegt?«
»Ach, daran kann ich mich noch erinnern. Das war gegenüber der Richterschaft.«
»Es … war … was? Sie haben geschworen, den Richtern zu gehorchen? Das ist überhaupt nicht zulässig!« Er hielt inne. Vergiss nie, dass du auf dem Land immer beobachtet wirst, dachte er, und wahrscheinlich auch belauscht.
Volker sah ihn entsetzt an, deshalb fuhr Mumm fort: »Bring mich zu deinem Kotter, mein Junge, und sperr mich dort ein. Und wenn du schon dabei bist, solltest du dich gleich mit einsperren. Nichts überstürzen, keine Fragen, und mach nicht so viel Gedöns, ausgenommen sind Sätze wie ›Jetzt hab ich dich am Wickel, du Missgeburt‹ und anderer Unsinn in der Art, denn ich bin davon überzeugt, junger Mann, dass hier jemand in echten Schwierigkeiten steckt, und ich glaube, dass du derjenige bist. Wenn du auch nur einen Funken Verstand besitzt, hältst du jetzt die Klappe und bringst mich in deinen Kotter, klar?«
Volker nickte mit weit aufgerissenen Augen.
Es war ein angenehmer Spaziergang hinunter zum Kotter, der, wie sich herausstellte, an einem kleinen Kai gleich am Fluss stand. Ringsum lag all das halbprofessionelle Schifffahrtsgeraffel, das man an einem solchen Ort erwartete, außerdem gab es eine Drehbrücke, vermutlich, um die größeren Schiffe durchzulassen. Die Sonne schien, und auf eine träge Art und Weise ereignete sich überhaupt nichts. Dann standen sie vor dem schon so oft erwähnten Kotter. Er sah wie ein riesiger Pfefferstreuer aus Stein aus. Eine blühende Kletterpflanze rankte sich daran empor, und gleich neben der Tür war ein riesengroßes Schwein an einer Kette festgemacht. Als es die beiden Männer näher kommen sah, stellte es sich auf die Hinterbeine und fing, leicht torkelnd, an zu betteln.
»Das ist Stampfer«, sagte Volker. »Sein Vater war ein Schwarzkittel, seine Mutter sehr überrascht. Seht Ihr diese Hauer? Wenn ich damit drohe, Stampfer von der Leine zu lassen, gibt keiner mehr ein Widerwort, stimmt’s, Stampfer?« Er verschwand hinter dem Knasthäuschen und kam kurz darauf mit einem Eimer Schweinefutter zurück, in den sich Stampfer unter beängstigenden, aber doch eher zufrieden grunzenden Geräuschen am liebsten ganz hineingestürzt hätte. Mumm starrte immer noch die gewaltigen Hauer an, als eine freundlich aussehende Frau in einer Kittelschürze aus dem strohgedeckten Häuschen kam, bei Mumms Anblick sofort stehen blieb und einen kleinen Knicks machte. Dann richtete sie den Blick erwartungsvoll auf Volker. »Was hast du uns denn da für einen feinen Herrn mitgebracht, mein Sohn?«
»Das ist Kommandeur Mumm, Mutter … Du weißt schon, der Herzog.«
Betretene Stille breitete sich aus, in der die Frau sich merklich wünschte, dass sie in besserem Aufzug, mit besserer Frisur und besseren Schuhen erschienen wäre und dass sie vorher noch rasch den Abort, die Küche und die Spülküche geputzt sowie den Garten in Ordnung gebracht, die Haustür gestrichen und die Innenseite des Dachs saubergemacht hätte.
Mumm bewahrte sie davor, vor Scham im Boden zu versinken, indem er ihr die Hand entgegenstreckte und sagte: »Samuel Mumm, werte Dame, freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Woraufhin sie voller Panik nach drinnen rannte.
»Muttchen hat es immer sehr mit der Aristokratie«, vertraute ihm Volker an, während er die Tür zum Kotter mit einem großen, unpraktischen Schlüssel aufschloss.
»Wieso das denn?«,
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