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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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besonders betonte.
    Volker zog die Tür des Kotters auf, half seiner Mutter, die von der Aussicht, womöglich schon bald Silberteller zu besitzen, offensichtlich überwältigt worden war, vom Boden auf, klopfte ihr den Schmutz von der Schürze und sagte nach hinten gewandt: »Nein, gnädiger Herr, der Grund ist der, dass hier niemand etwas zum Stehlen besitzt. Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass man sich Glück mit Geld nicht kaufen kann.«
    Ja, dachte Mumm, das hat mir meine Mutter auch immer gesagt, aber sie war doch sehr froh, als ich ihr mein erstes selbstverdientes Geld gab, denn damit konnten wir uns eine Mahlzeit mit Fleisch leisten, auch wenn wir nicht wussten, was für ein Fleisch es war. Das ist doch Glück, oder nicht? Verflixt nochmal, dass man sich aber auch immer selbst belügt …
    Nachdem eine errötende Frau Aufstrich davongeeilt war, um das Essen zu holen, sagte Mumm: »Unter uns gesagt, Hauptwachtmeister, glaubst du wirklich, dass ich einen Mord begangen habe?«
    »Aber nein!«, antwortete Volker sofort.
    »Das kam jetzt ziemlich schnell, junger Mann. Willst du damit sagen, dass du über Bulleninstinkt verfügst? Ich habe nämlich den Eindruck, dass du noch nicht lange Bulle bist und noch nicht viel zu tun gehabt hast. Ich bin zwar kein Experte, aber soviel ich weiß, lügen einen Schweine nicht besonders hartnäckig an.«
    Volker holte tief Luft. »Also, Euer Gnaden«, sagte er ganz ruhig, »mein Großvater war ein gerissener alter Fuchs. Der konnte in den Leuten wie in Büchern lesen. Er spazierte immer mit mir durch die Gegend und stellte mich anderen Leute vor, und wenn wir dann weitergingen, erzählte er mir ihre Geschichten, wie die von dem Mann, der in flagrante delicto erwischt worden war, und zwar mit einem ganz gewöhnlichen Truthahn …«
    Mumm hörte mit offenem Mund zu, während das rosige, sauber geschrubbte Gesicht von dieser lieblichen, wohlriechenden Landschaft erzählte, als sei sie von Teufeln aus dem abscheulichsten Höllenschlund bevölkert. Volker entrollte ein Register von Übeltaten, die sich gewaschen hatten: keine vorsätzlichen Morde, bloß Bosheit und Dummheit und sämtliche Verbrechen, die die menschliche Beschränktheit und Dusseligkeit hervorbringt. Natürlich gab es überall dort, wo es Menschen gab, auch Verbrechen. Nur kam einem diese Gewissheit hier in dieser langsamen Welt der weiten Räume und singenden Vögel irgendwie fehl am Platze vor. Trotzdem hatte Mumm es gleich bei seiner Ankunft gerochen, und jetzt steckte er mittendrin.
    »Man kriegt so ein Kribbeln«, sagte Volker. »Mein Vater hat mir das gesagt. Er sagte immer: Hinsehen, zuhören und jeden Einzelnen im Auge behalten. Es hat noch keinen guten Polizisten gegeben, der nicht einen Hauch von Bösewicht in sich gehabt hätte, und genau dieser Hauch meldet sich dann. Er sagt: ›Dieser Mann hat etwas zu verbergen‹, oder ›Dieser Mann benimmt sich viel zu großspurig, denn eigentlich ist er das reinste Nervenbündel.‹ Dieses Gespür meldet sich, todsicher.«
    Mumm wollte nicht schockiert sein, also entschloss er sich zur Bewunderung, aber zu nicht allzu viel Bewunderung. »Damit haben dein Großvater und dein Vater bestimmt nicht falschgelegen, Volker. Und ich sende also die richtigen Signale aus, oder?«
    »Aber nein, überhaupt nicht. Bei meinem Großvater und meinem Vater war das manchmal auch so. Die haben sich dann einfach gar nichts anmerken lassen. Haben gar nicht mehr reagiert. Das macht die Leute total nervös.« Volker legte den Kopf ein wenig zur Seite und sagte: »Einen Augenblick, ich glaube, wir haben ein kleines Problem …«
    Die Tür zum Kotter flog scheppernd auf, und schon sauste Hauptwachtmeister Aufstrich um die Ecke zur Rückseite des kleinen, niedrigen Gebäudes. Etwas kreischte und quiekte, dann hatte Mumm, der immer noch friedlich drinnen saß, plötzlich Goblins auf seinem Schoß. Genau genommen war es nur ein Goblin, aber ein Goblin so ganz aus der Nähe ist mehr als genug. Es fing schon mit dem Geruch an und hörte nicht damit auf, weil dieser Geruch nämlich die ganze Welt zu durchdringen schien. Trotzdem war es nicht der Gestank – obwohl diese Goblins sämtliche widerlichen Gerüche absonderten, die ein organisches Wesen hervorbringen konnte. Nein, denn jeder, der durch die Straßen von Ankh-Morpork ging, war mehr oder weniger immun gegenüber Gestank aller Art, und momentan blühte (wenn das das richtige Wort dafür war) in der Stadt sogar ein neues Hobby auf:

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