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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sie eine Morgenhaube, und ihr Lachen hörte sich an wie Regenwasser im Fallrohr. Im Unterricht schälte sie ausnahmslos Kartoffeln oder rupfte Gänse.
    Mumm hatte immer noch einen Platz in seinem Herzen für Frau Windig reserviert, die gelegentlich für einen Jungen, der sein Alphabet aufsagen konnte – vorwärts und rückwärts! –, sogar ein Bonbon in ihrer Tasche fand. Außerdem musste man jemandem, der einem beigebracht hatte, keine Angst zu haben, immer dankbar sein.
    In ihrer kleinen Wohnstube gab es ein Buch, das sie dem kleinen Sam Mumm einmal zum Lesen gegeben hatte. Er war bis auf Seite sieben gekommen, als er vor Schreck erstarrte. Auf der Seite war ein Goblin abgebildet: der lustige Goblin, wenn man dem Text glauben wollte. Aber lachte dieser Goblin nun, oder schaute er eher finster drein, war er bloß hungrig, oder war er drauf und dran, einem den Kopf abzubeißen? Klein-Samuel Mumm hatte nicht so lange gewartet, bis er es herausgefunden hatte, und den restlichen Vormittag lieber unter einem Stuhl verbracht. Heute entschuldigte er sein Verhalten damit, dass er sich noch genau daran erinnerte, dass es den anderen Kindern auch nicht anders ergangen war. Wenn es um die Unschuld der Kindheit ging, verstanden die Erwachsenen oft alles völlig falsch. Auf jeden Fall hatte sie ihn nach dem Unterricht auf ihr immer ein wenig feuchtes Knie gesetzt und ihn den Goblin richtig anschauen lassen. Er bestand aus lauter kleinen Punkten! Winzigen Punkten, wenn man genau hinschaute. Wenn man lange genug hinschaute, verlor er all seine Macht und war überhaupt nicht mehr angsteinflößend. »Soweit ich weiß, sind Goblins böse, nicht richtig fertig gewordene Sterbliche«, hatte Frau Windig traurig gesagt. »Halbfertige Leute, so hab ich’s jedenfalls gehört. Was für ein Segen, dass wenigstens der hier einen Grund hat, lustig zu sein.«
    Später dann hatte sie ihn, weil er so ein braver Junge war, zum Tafelwart gemacht. Damals hatte ihm zum ersten Mal in seinem Leben jemand etwas zugetraut. Die gute alte Frau Windig, dachte Mumm, als er in der schummrigen Höhle von mehreren Reihen tief stehenden, ernsthaft dreinblickenden Goblins umgeben war. Wenn ich hier lebend rauskomme, lege ich Ihnen eine ganze Tüte Pfefferminzbonbons aufs Grab. Er räusperte sich. »Also, mein Junge, was wir hier vor uns haben, ist ein Goblin, der allem Anschein nach in eine handfeste Auseinandersetzung geraten ist.« Er schaute zuerst den Leichnam und dann Volker an. »Vielleicht erzählst du mir zuerst, was dir daran auffällt.«
    Volker stand kurz davor, in unkontrolliertes Zittern zu verfallen. »Also, äh, ich vermute mal, dass er tot ist.«
    »Und woraus leitest du das ab, bitte sehr?«
    »Ähm, sein Kopf ist nicht mehr mit dem restlichen Körper verbunden?«
    »Ganz recht. Das gilt im Allgemeinen als Anhaltspunkt dafür, dass der Leichnam tatsächlich tot ist. Übrigens kannst du die Schnur jetzt wieder loslassen. Ich will nicht sagen, dass ich nicht schon mal besseres Licht gesehen hätte, aber es dürfte ausreichen. Fällt dir noch etwas auf, Hauptwachtmeister?« Mumm versuchte, ganz ruhig zu reden.
    »Also, die Leiche ist ziemlich zerschnippelt.«
    Mumm lächelte aufmunternd. »Fällt dir auch dabei etwas auf, mein Junge?« Volker tat sich sichtlich schwer damit, aber das erging Rekruten am Anfang oft so: Sie waren so sehr mit Hingucken beschäftigt, dass sie überhaupt nichts sahen. »Du machst das sehr gut, Hauptwachtmeister. Was würdest du jetzt daraus ableiten?«
    »Ableiten?«
    »Warum sollte man jemandem so die Arme zerschneiden? Überleg mal.«
    Volkers Lippen bewegten sich tatsächlich beim Denken. Dann grinste er. »Er hat sich mit bloßen Händen verteidigt?«
    »Gut gemacht, mein Junge. Leute, die sich mit bloßen Händen verteidigen, tun das, weil sie weder einen Schild noch eine Waffe haben. Ich würde auch behaupten, dass sein Kopf abgetrennt wurde, als er auf dem Boden lag. Ich kann es nicht mit letzter Gewissheit sagen, aber für mich sieht es eher wie ein vorsätzliches Gemetzel als ein übereiltes Aufschlitzen aus. Das alles ist eine Riesensauerei, aber man kann erkennen, dass der Bauch zwar aufgeschlitzt wurde, rings um die Wunde aber kaum Blut zu sehen ist.« In diesem Moment war Mumm auf einmal selbst überrascht. »Und aufgrund der Bauchwunde weiß ich etwas über ihn, das ich lieber nicht gewusst hätte«, sagte er.
    »Was denn, Herr Kommandeur?«
    »Dass er eine sie ist und dass sie in einen Hinterhalt

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