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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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Und warum? Nur weil er Nordafrikaner ist und eine andere Hautfarbe hat.«
    Im Garten war es still bis auf das Summen der Insekten. Gudrun war neben Peter getreten und da, wo ihre Hand sich um seinen Unterarm schloss, war die Haut weiß. Sie versuchte auf ihre Art, ihren Mann ruhig zu stellen und zeigte dabei ein verkrampftes Lächeln, allein Peter ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Wenn da mal so ein paar Typen verrückt spielen ... Wir haben früher auch viel Scheiß gemacht! Das sind halt junge Kerle.«
    Er schüttelte Gudruns Arm ab wie eine lästige Fliege. Georg versuchte, ruhig zu bleiben, aber seine Stimme klang jetzt auch schon etwas lauter.
    »Und hinter den jungen Kerlen, wie du diese Gewalttäter nennst, stehen brave Bürger, die sich von den Schandtaten offiziell distanzieren, aber klammheimlich Beifall klatschen.«
    »Was heißt das denn? Brave Bürger?«
    Peter schien sich persönlich angegriffen zu fühlen.
    »Das kann ich dir genau sagen: Die glatzköpfigen Kameraden sind nur das unappetitliche Fußvolk der Bewegung – aber wichtig. Es gibt genügend junge Leute, die sich allein wegen der Lonsdale-T-Shirts und Springerstiefel oder der rechten Krawallmusik ködern lassen. Und zur nächsten Bürgerschaftswahl stellt sich dann die Partei ›Freiheitlich Unabhängige Bürgerbewegung‹ des Herrn Burmester und holt reichlich Stimmen. Und plötzlich fragen alle erstaunt: Wie konnte das denn passieren?«
    »Der Dr. Burmester!«
    Heini war in seinem Liegestuhl aufgewacht. Da endlich so laut gesprochen wurde, dass er es auch verstehen konnte, war er aufmerksam der Diskussion gefolgt und steuerte nun sein Wissen bei.
    »Stimmt! Der hat irgendeinen Verein, da lagen neulich mal so Werbezettel im Briefkasten.Was ist mit Dr. Burmester?«
    »Der Dr. Burmester ist ein feiner Mann! Ich kenne ihn vom Sehen, er grüßt immer sehr freundlich und ich habe noch nie gehört, dass der etwas mit Neonazis zu tun haben soll.«
    Johanna kannte jeden, der in St. Gertrud wohnte, zumindest zwischen Burgtor und Stadtpark, und wusste auch bestens über die Familienverhältnisse Bescheid.
    »Aber die Ehe soll ja gar nicht glücklich sein. Das wundert mich auch nicht. Ille Burmester war schon immer eine seltsame Person.«
    »Sie ist eine bewundernswerte Frau und eine große Wohltäterin, die für Lübeck schon sehr viel getan hat. Es müsste viel mehr solche Menschen geben!«
    Astrid vergeudete sonst nicht ihre Energie für Diskussionen im Familienkreis, die sie ohnehin für sinnlos hielt. Ihre leidenschaftlich vorgebrachte Verteidigung überraschte denn auch Johanna und ließ sie indigniert die Brauen hochziehen. Ihr passte diese Diskussion ohnehin nicht in den Kram.
    »Jetzt lasst man gut sein mit der Politik, ihr Männer!«
    Dass ihre Tochter soeben auch Partei ergriffen hatte, übersah sie einfach. Politik war Männersache.
    »Da regt ihr euch immer viel zu sehr bei auf. Wir sind doch heute hier zum Feiern!«
    So wie Johanna das sagte, war das ein Befehl, dem sich keiner entziehen durfte. Astrid kam zu Georg, strich ihm über den Rücken und an ihrem Blick sah er, dass sie sich genauso unbehaglich fühlte wie er. Bestimmte Themen waren im Familienkreis tabu, viele Dinge blieben unausgesprochen – aber vielleicht war das auch gar nicht anders möglich in einer Gruppe von Menschen, die der Zufall zusammengeführt hatte. Er hatte schließlich nur Astrid geheiratet – den kompletten Anhang hatte er umsonst dazubekommen.
    Die ganze Gesellschaft folgte mit Sitzgelegenheiten und Tischen dem gewanderten Schatten und ließ sich näher am Haus vor einem Beet mit rosa und weißen Stockrosen nieder. Kühler war es auch dort nicht. Auf den Freizeithemden seiner beiden Schwager zeichneten sich deutliche Schweißflecken ab. Georgs Hemd war auch schon lange nicht mehr trocken, doch der weiße Stoff verbarg gnädig entsprechende Spuren. Peter, der im Winter bei Familienfeiern immer als Erster die Fenster aufriss, tropfte es nass von den Schläfen. Keiner fühlte sich richtig wohl, aber niemand beklagte sich, alle litten stumm für Johanna, die ständig geschäftig hin- und hergelaufen war und nun auch Platz nahm und begann, Geschichten aus ihrer Jugend zu erzählen, die jeder der Anwesenden bereits auswendig kannte.
    Georg spürte sein Handy in der Hosentasche vibrieren, erhob sich und zog sich unter den Kirschbaum zurück, um das Gespräch entgegenzunehmen. Johannas empörter Blick und der Satz: »Das fehlte gerade noch, dass Georg jetzt

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