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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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bartloses Gesicht geäußert.
    »Das steht dir ja so viel besser, Georg! Jetzt siehst du endlich aus wie ein zivilisierter Mensch!«
    Mit ihrem strengen Blick, dem nichts entging, seien es Flecken, Falten oder lose Knöpfe, hatte sie kurz seine Garderobe erfasst und Astrids Tipp, er solle sich noch ein weißes, kurzärmeliges Hemd besorgen, hatte sich als goldrichtig erwiesen. Er trug das Hemd über seiner schwarzen Leinenhose und dazu die geflochtenen schwarzen Slipper, die er sich letzten Sommer in Italien gekauft hatte, und fand sich selbst sehr lässig und chic gekleidet. Und da Johanna weder etwas dazu gesagt, noch unwillig an ihm herumgezupft hatte, schien sie zumindest nichts daran auszusetzen zu haben – mit einem Kompliment hatte er eh nicht gerechnet.
    Die Kaffeetafel war abgeräumt und alle Gäste etwas schläfrig. Georg half seinem Schwiegervater in einen Liegestuhl in einer ruhigen, schattigen Ecke des Gartens und es dauerte gar nicht lange, da war Heini eingenickt. Johanna war die Einzige, der die Hitze nichts auszumachen schien und die enttäuscht war, dass ihre Geburtstagsgäste keine lebhafte Unterhaltung führten, geschweige denn für ›S-timmung‹ sorgten, was auch immer sie darunter verstehen mochte.
    »Mit euch jungen Leuten ist ja auch nichts mehr los! Da habe ich einmal im Jahr Geburtstag und dann so eine lahme S-timmung!«, beschwerte sie sich, ehrlich empört. Aufgrund der Hitze an ihrem großen Tag erschöpft zu sein, das war einfach ungehörig.
    »Es gibt jetzt ein Gläschen Sekt und danach sieht das schon ganz anders aus!«
    Bald standen alle am Fuß der Treppe, die aus dem Haus in den Garten führte, mit gefüllten Sektgläsern in der Hand und Peter hielt, wie bei jeder dieser Gelegenheiten, eine launige Rede. Georg musste zugeben, dass dies eines der wenigen Dinge war, die sein Schwager perfekt beherrschte. Johanna stand auf der obersten Stufe und nahm die Huldigung entgegen. Auch Marco hatte ein Glas Sekt bekommen und als das Singen des Geburtstagsliedes und das allgemeine Zuprosten vorbei waren, ergriff Georg die Gelegenheit, um mit seinem Neffen zu reden.
    »Na, Marco, alles klar?«
    Marco griente und nickte.
    »Übrigens, der Maik ist im Knast.«
    »Echt?« Marco sah seinen Onkel voller Respekt an. »Und warum?«
    »Er sitzt in U-Haft wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung, schwere Körperverletzung und das ist vielleicht noch nicht alles.«
    »Wow! Das ist ja ...«
    Sein Neffe schien von dieser Mitteilung wirklich beeindruckt. Angermüller kannte solche Reaktionen, wenn Leuten klar wurde, wie nah sie einem Verbrechen oder einem Täter gewesen waren – das war einfach eine andere Qualität als im Fernsehen oder in einem Computerspiel. In jedem Fall erhoffte er sich daraus eine Lehre für den Jungen. In Zukunft wäre vielleicht auch der unkritische Marco ein bisschen aufmerksamer bei der Wahl seines Umgangs.
    »Der ausländische Mitarbeiter eines Restaurants ist von Maik Priewe und zwei seiner Kameraden letzte Woche in der Nacht zum Donnerstag richtiggehend gekidnappt worden. Sie haben den Mann gefesselt und in den Wald verschleppt, ihn mit Schlägen, Tritten und brennenden Zigaretten gequält.«
    »Erzählst du meinem Sohn wieder Schauergeschichten von irgendwelchen Neonazis?«
    Schwager Peter hatte sich neben Georg Angermüller aufgebaut und so laut gesprochen, dass ihnen sofort die Aufmerksamkeit zumindest aller Erwachsenen zuteil wurde. Wenn er auch versuchte, seine Frage witzig klingen zu lassen, war die Aggressivität dahinter nicht zu überhören.
    »Ich habe Marco noch nie Schauergeschichten erzählt, wie du das ausdrückst. Ich habe ihn über ein paar Leute aus seinem Umfeld aufgeklärt und wie sich jetzt zeigt, völlig zu Recht.«
    »Ich kenne keinen Neonazi!« Peter sah sich Zustimmung heischend um. »Ihr vielleicht?«
    »Papa, nun lass doch!«, versuchte Marco, seinen Vater zu bremsen, doch dieser Versuch war bei einem Peter Overmann vergebens.
    »Ich verstehe überhaupt nicht, was diese Panikmache mit den Braunen immer soll! Mein Gott, das ist jetzt über 60 Jahre her – können wir das nicht einfach mal vergessen und Schwamm drüber?«
    »Was das nun miteinander zu tun hat, verstehe ich wiederum nicht! Deine Art, die Geschichte ausblenden zu wollen, ist eine Sache. Aber diese Neonazis sind Gegenwart, die treiben jetzt und heute ihr Unwesen! Wir haben gestern einen jungen Mann gefunden, der diesen Kerlen in die Finger geraten war. Der war mehr tot als lebendig.

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