Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
Vom Netzwerk:
solltest das eigentlich wissen, Georg: Die Dinge sind oft ganz anders, als sie scheinen.« Er nickte zustimmend.
    Aber was war der Schein und was die Wahrheit dahinter? Angermüller konnte nicht ahnen, welche Bedeutung dieser Satz bald für ihn haben würde.

13
    Die Nacht war kurz – sehr kurz – gewesen und eigentlich hatte sie viel zu wenig geschlafen – doch schon lange hatte Anna sich nicht mehr so leicht und beschwingt wie heute gefühlt. Nachdem der letzte Gast gegangen war, hatte sich die Mannschaft der ›Villa Floric‹ zu einer kleinen, spontanen Feier auf der Terrasse versammelt. Bei allen waren die Freude und die Erleichterung groß, dass Fouhad lebte und wieder ganz genesen würde. Jeder hatte schon von Fällen gehört, bei denen die Opfer nicht überlebt hatten oder aber den Rest ihres Lebens schwerbehindert im Rollstuhl verbringen mussten. Man stieß mit einem Glas Champagner an und beschloss, dass jeden Tag zwei andere Kollegen ins Krankenhaus gehen würden, wenn Fouhad erst einmal Besuch empfangen durfte.
    Vielleicht war es die gute Nachricht von Fouhads Rettung, das Wissen, dass die Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt würden, vielleicht war es auch der Champagner – Anna spürte die Anspannung der letzten Tage von sich abfallen, das dunkle Gefühl der Angst ließ sie endlich los. Alle waren in heiterer, gelöster Stimmung und plauderten angeregt bis spät in die Nacht. Dann verabschiedeten sich die Ersten und schließlich blieben Anna und Yann allein zurück.
    Und als ob es ganz selbstverständlich wäre, trennten sich heute ihre Wege nicht wie gewohnt im Flur, sondern sie gingen gemeinsam zu Yanns Zimmer. Yann hob Anna hoch und trug sie über die Schwelle. Sie musste lachen, doch als sie den ernsthaften Ausdruck auf Yanns Gesicht sah, unterdrückte sie es lieber. Nie hätte sie vermutet, dass er so ein Romantiker war. Aus der Halle hatte er den frischen Rosenstrauß, der dort zur Dekoration stand, mitgenommen, die Blumen überall im Raum verteilt und ein Meer von Kerzen entzündet. Erst dann nahm er sie in seine Arme und sämtliche Zweifel, die Anna gehegt hatte, waren verflogen. Sein feierlicher Ernst rührte sie und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er diesen Augenblick in seinem Innersten schon sehr lange vorbereitet haben musste.
    Trotz des wenigen Schlafs hatte Anna es am Morgen nicht lange im Bett ausgehalten. Sie war leise aus Yanns Zimmer geschlichen, nicht ohne einen liebevollen Blick auf ihn zu werfen, der tief schlafend auf der Seite lag und leise schnarchte. Dann war sie den Weg zum Meer hinabgestiegen, was sie selten tat, denn es war ziemlich weit und meist fehlte dafür die Zeit. Die Mühe hatte sich gelohnt, denn sie hatte den Strand für sich allein und das Bad in der Ostsee war herrlich erfrischend. Anschließend stand sie fröhlich vor sich hin pfeifend in der Küche und bereitete ein fürstliches Frühstück. ›Ma reine‹ hatte Yann sie letzte Nacht genannt, ›meine Königin‹, – eine deutliche Steigerung gegenüber dem sonst bei ihm üblichen ›chefesse‹.
    Dann endlich war auch Yann in der Küche erschienen und entgegen ihrer Befürchtung herrschte kein bisschen Befangenheit zwischen ihnen. Alles war so vertraut wie immer. Nur die Begrüßung fiel anders aus: Er schloss sie in seine Arme und küsste sie, was ihr ein wohliges Kribbeln über den Rücken laufen ließ.
    Lionel verbrachte das Wochenende bei seinem Freund Jakob und so hatten sie den Vormittag für sich allein und genossen das Frühstück in ungestörter Zweisamkeit auf der Terrasse. Dann besprachen sie den heutigen Tag, die bereits eingegangenen Reservierungen – unter anderem hatte sich erst gestern eine große Geburtstagsgesellschaft angemeldet, für die noch spezieller Blumenschmuck besorgt werden musste – und angesichts des anhaltend warmen Wetters benötigten sie über das Wochenende noch mehr Mineralwasser für das Restaurant.
    Yann strich ihr zärtlich über das Gesicht, als er sich verabschiedete, um für seine Besorgungen in die Stadt zu fahren. Anna zog sich in die Küche zurück und ging noch einmal die Menüwünsche für den heutigen Abend durch. Plötzlich kam ihr Matte in den Sinn. Sollte sie dem Jungen doch noch eine Chance geben? Sollte sie ihn weiter in der Küchenmannschaft lassen? Stark genug fühlte sie sich jetzt, aber heute hätte sie sich ohnehin alles zugetraut. Sie musste lächeln. Am besten sie wartete ab, bis sie mit Fouhad sprechen und seine Meinung hören konnte

Weitere Kostenlose Bücher