Steilufer
sie stellten, trat Maik Priewe dazwischen und redete offensichtlich beruhigend auf seine Kumpels ein. Der Hund wurde angeleint und die Urlauber zogen sich zu ihren Handtüchern und Sonnenschirmen zurück.
Ein Duft nach frisch gebackenem Brot mit einer leichten Koriandernote erfüllte die Restaurantküche. Vor ein paar Tagen von Anna in die Zubereitung eingewiesen, präsentierte Hadi ihr die ersten, in Eigenregie hergestellten kleinen Brote, die man in der ›Villa Floric‹ den Gästen zur Begrüßung mit einem Schüsselchen gesalzener Butter auf den Tisch stellte. Es war ein traditionelles Rezept, das Anna aus der Bretagne mitgebracht hatte und das Geheimnis des speziellen Geschmacks der Brote war, neben der Zugabe von gemahlenem Koriander, der Anteil von Buchweizenmehl im Teig. Sie brach sich ein Stückchen ab, steckte es in den Mund, kaute sorgfältig, während Hadi sie gespannt beobachtete. Als sie ihn schließlich mit einem freundlichen Lob für sein Werk bedachte, strahlte er vor Stolz. Er brachte die Brote in den Vorratsraum und widmete sich dann dem Waschen, Putzen und Schneiden von Salat und Gemüse.
Anna war dabei, die Speisekarte neu zu gestalten. Das warme Wetter änderte auch die Bedürfnisse der Gäste. Keine schweren Eintöpfe und Fleischgerichte mehr, dafür leichte Fischgerichte, Salate und wenig Fleisch. Gratinierte Schollenfilets auf jungem Spinat, Doraden aus dem Ofen nach Mittelmeerart, Entenbrustfilets auf Sommersalaten, Lammkarree mit grünen Bohnen – das Angebot an frischen Gemüsen und Salaten, zartem Fleisch und Fisch aller Art war um diese Jahreszeit wunderbar vielfältig und wenn möglich, zog sie es vor, vieles davon bei Produzenten in der Umgebung einzukaufen. So wusste sie genau über Herkunft und Qualität Bescheid, lange Transportwege wurden vermieden und die teils nach alter Tradition arbeitenden, kleinen Betriebe in der Region unterstützt. Glücklicherweise waren auch an heißen Tagen die Sommerabende hier an der Küste von einer erfrischenden Kühle und nur ganz selten so drückend, dass die Leute überhaupt keinen Appetit mehr hatten. Hoffentlich hatte Yann auch bedacht, dass die Gäste jetzt wieder einem trockenen Weißen den Vorzug gaben und genug von ihrem Hauswein, einem schlichten aber wohl schmeckenden Muscadet, bestellt.
Die ›Villa Floric‹ war ein Restaurant für Feinschmecker, für Leute, die Wert auf Geschmack und Qualität legten und auch einmal etwas Neues entdecken wollten. Aber es gehörte zu Annas Philosophie als Köchin und Gastgeberin, dass sich hier nicht nur die Menschen mit den dicken Brieftaschen wohl fühlen sollten. Trotzdem hielt sich gerade bei den Einheimischen das hartnäckige Vorurteil, es handele sich um einen teuren Edelschuppen. Bei Anna sollte das Genießen nicht einer privilegierten Minderheit vorbehalten bleiben; gerade in Zeiten, da das Kochen im Alltag immer mehr aus der Mode kam, nur noch Fertigpackungen aufgerissen und in der Mikrowelle erhitzt wurden, fand sie es wichtig, den Geschmack des Natürlichen, Echten ihrem Publikum nahezubringen – das konnte der Industrielle mit seiner Gattin sein, dessen Jacht in Travemünde lag, ebenso wie der kleine Angestellte aus Solingen, der hier mit seiner Familie den Jahresurlaub verbrachte. Trotz eines eigenen Hotels hatten es auch ihre Eltern nie zu großem Wohlstand gebracht, aber in ihrer französischen Heimat war gutes Essen von jeher ein Recht für alle. Anna hatte ihre Bodenhaftung nie verloren und auch sie als Fachfrau fühlte sich nicht wohl in jenen Tempeln des teuren Geschmacks, wo die Kellner das Publikum an Arroganz zu übertreffen suchten und ein Abend zu zweit ein kleines Vermögen kostete. Und wer weiß, ob die Leute, die dort zu Gast waren, die ihnen vorgesetzten Köstlichkeiten zu schätzen wussten, ob es nicht viel eher das Bewusstsein war, sich etwas zu leisten, das für andere unerreichbar war. In der ›Villa Floric‹ jedenfalls gab es auch immer ein paar weniger teure Gerichte auf der Karte und kein Kellner schaute die Gäste, die sie orderten, schief an.
Ihre Küche war zwar an der französischen orientiert, enthielt aber durchaus auch italienische oder asiatische, manchmal afrikanische Elemente, berücksichtigte sogar holsteinische Spezialitäten – Anna nannte sie ihre ›moderne Weltküche‹. Es gab überall kulinarische Köstlichkeiten zu entdecken und sie wollte sich nicht versagen, die Spezialitäten verschiedener Länder auszuprobieren, nur um sich mit dem
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