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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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halben Stunde hatte ihn Jansen an der Kaiserallee abgesetzt, dort, wo der Travemünder Sandstrand seine letzten Ausläufer hatte. Seit Astrids Kindheit schon mietete die Familie beim Strandkorbvermieter Klüver ihren Strandkorb für die ganze Saison. Man kannte sich, man bekam einen guten Preis und hatte immer denselben Platz am Strand. Schon lange gab es drei familieneigene Körbe, den der Schwiegereltern und die beiden von Astrids Schwestern. Für Georg und Astrid lohnte sich angesichts ihrer wenigen Freizeit die Ausgabe nicht, aber die anderen boten ihnen immer wieder großzügig die Mitbenutzung an.
    Strandkörbe – für Georg Angermüller, der in seiner Jugend nur das Mittelmeer, nicht aber die deutschen Küsten kennengelernt hatte, hatten diese Gehäuse am Ostseestrand anfangs etwas Lächerliches, Spießiges. Am Strand brauchte man ein Handtuch, sonst nichts. Doch im Lauf der Zeit hatte er die Vorzüge dieser urdeutschen Erfindung schätzen gelernt: Man trotzte darin dem leider nicht immer strahlenden Ostseewetter und verlängerte so die Strandsaison, für den ganzen Kleinkindstrandbedarf war genügend Stauraum da und wenn man keine 20 mehr war, saß man auch mal gerne bequem, statt immer nur auf hartem Boden zu liegen.
    Als er endlich die Dittmerschen Strandkörbe entdeckt hatte, musste er zu seiner Überraschung feststellen, dass weder Astrid und die Kinder noch seine Schwager, Nichten und Neffen zu sehen waren. Nur seine Schwiegermutter sowie Astrids Schwestern Sigrid und Gudrun thronten in jeweils einem Strandkorb, der genau zur Sonne hin ausgerichtet war, und bräunten ihre schlanken Gliedmaßen. Die Familienähnlichkeit der Damen war auffallend. Alle hatten die zierliche Statur und das hellblonde Haar, selbst Johanna mit ihren bald 76 war dank ihres Friseurs noch blond. Doch was ihr Wesen anbetraf, war Astrid irgendwie aus der Art geschlagen, wofür er sehr dankbar war – auch wenn er manchmal schwer mit ihrer Ernsthaftigkeit und Konsequenz zu kämpfen hatte. Sigrid und Gudrun waren von einer unglaublich selbstbewussten Oberflächlichkeit und hielten dabei ihre sehr beschränkte Weltsicht für das Maß aller Dinge.
    Dafür, dass man ihm häufig vorwarf, sich viel zu rar zu machen, war die Freude über sein überraschendes Auftauchen zu diesem Familientermin recht mäßig, wie ihm schien.
    Sie beschränkte sich auf ein: »Georg, du schon?«, beziehungsweise ein wenig begeistertes: »Na, das ist ja man ne Überraschung! Unsere Polizei hat ein Leben!«
    Diese Bemerkung musste natürlich von Sigrid kommen, die nie berufstätig gewesen war, zwar drei Kinder hatte, aber auch Kinderfrau, Haushaltshilfe und Gärtner beschäftigte, finanziert von ihrem Mann Jochen, einem Zahnarzt. Angermüller dachte an die Hunderte von Überstunden, die er und die Kollegen ständig vor sich herschoben – an ein Abbummeln war überhaupt nicht zu denken – und versuchte, sich nicht über diese Gedankenlosigkeit zu ärgern.
    Die Damen musterten ihn mit kühlen Kennerblicken, erkannten wahrscheinlich die schon ziemlich ausgeblichene, formlose Badehose der vergangenen Jahre, sahen seinen im letzten Winter wieder runder gewordenen Bauch und fragten pflichtgemäß, aber desinteressiert: „Wie gehts dir, Georg?«
    »Danke, gut«, antwortete er ohne große Überzeugung. »Wo sind denn all die anderen? Ich dachte, es geht schon am Nachmittag los! Was ist mit Heini, wie geht’s ihm?«
    In Johannas Gesicht machte sich ernsthafte Besorgtheit bemerkbar.
    »Heini fühlt sich heute nicht so. Die Hitze macht ihm ganz schön zu schaffen, da hat er es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. Er bedauert das natürlich sehr! Du weißt, wie sehr er unsere Familientreffen liebt!«
    Heini war Georgs Schwiegervater, ein feiner, alter Herr mit Stock und Hörgerät, der trotz seiner 80 Jahre immer noch gerne feierte, wenn seine Frau ihn denn ließ. Außer Astrid war er das einzige Familienmitglied, das Georgs uneingeschränkte Sympathie genoss.
    »Jochen kommt erst später aus der Praxis und bringt auch die Kinder mit«, mischte sich Sigrid ein. »Laura war noch zu einem Kindergeburtstag eingeladen und die beiden Großen hatten keine Lust, mit uns Frauen allein zum Strand zu kommen. Wo steckt denn deine Familie?«
    »Ehrlich gesagt, habe ich erwartet, sie hier zu treffen. Aber vielleicht wollten sie auch noch einen neuen Badeanzug für Judith besorgen. Ich glaube, Astrid hat so was gesagt.«
    Als der Gesprächsfluss ins Stocken geraten war, hatte Georg sich

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