Steilufer
beiden privat zueinander standen.
»Eigentlich wollte Yann ja Kapitän werden und auf großen Schiffen um die Welt fahren!«
Gerade setzte Yann dazu an, dieser von Anna in scherzhaftem Ton aufgestellten Behauptung zu widersprechen, da klingelte das Mobiltelefon, das er vor sich auf dem Tisch liegen hatte. Er erhob sich mit einer entschuldigenden Geste und entfernte sich ein paar Schritte, um das Gespräch anzunehmen.
»Und jetzt ist Ihr Partner zu einer armen Landratte geworden?«
»Na ja, zumindest zum Freizeitkapitän hat es gereicht. Yann hat natürlich sein geliebtes Segelboot mit hierher gebracht.«
Angermüller wollte gerade erzählen, dass auch seine Frau von der Segelleidenschaft erfasst sei, und fragen, wo denn Yann seinen Liegeplatz habe, da bemerkte er, dass Anna Floric ihn ganz nachdenklich ansah.
Plötzlich sagte sie: »Natürlich! Sie haben keinen Bart mehr! Die ganze Zeit dachte ich schon, irgendwas ist anders an Ihnen. Steht Ihnen aber gut!«
Der Kommissar nahm leicht verlegen dieses Kompliment entgegen und Jansen griente.
»Das war das Fernsehen. Die wollen gleich vorbeikommen wegen der Naziparolen« sagte Yann Tanguy, als er kurz darauf zum Tisch zurückkam.
»Woher wissen die so schnell, was hier passiert ist?«, fragte Anna und in ihrer Stimme lag ein gewisses Befremden.
»Ich nehme an, der Mann von der Zeitung hat denen die Information weitergegeben.«
»Welche Zeitung?«
»Ich habe vorhin, nachdem ich diese Schweinerei entdeckt hatte, beim Redakteur von der Lübecker Zeitung angerufen, der bei uns Kunde ist. Der hat sofort einen Reporter vorbeigeschickt. Ich dachte, so ein Vorfall muss an die Öffentlichkeit und uns kann es nicht schaden, wenn wir ein bisschen Presse haben.«
»Oh Yann, warum hast du das nicht vorher mit mir besprochen. Ich sehe das anders«, Anna Floric klang nach Ärger und Unverständnis. »Wir müssen doch nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns und unsere Leute lenken.«
»Au contraire! Im Gegenteil, wir müssen diesen Idioten zeigen, dass wir keine Angst vor ihnen haben! Ich vertraue auf die Solidarität der vernünftigen Menschen! Und auf unsere Kunden, die werden uns unterstützen.«
Diese Einstellung fand Angermüllers ungeteilte Zustimmung. Wenn man sich von diesen Typen einschüchtern ließ und seine Angst zeigte, hatten sie genau das erreicht, was sie erreichen wollten.
»Ich finde es trotzdem nicht gut, so einen Rummel zu veranstalten.« Anna hatten Yanns Argumente offenbar nicht überzeugt.
»Es tut mir leid, Anna! Wenn ich gewusst hätte…«
»Lass gut sein, Yann. Jetzt ist es sowieso zu spät. Wir reden irgendwann einmal in Ruhe darüber.«
»D’accord! Das machen wir! Und jetzt muss ich sehen, wie wir an die passende Wandfarbe kommen, damit wir diese Schweinerei übermalen können. So gut gefällt mir das auch nicht, dass ich es als Reklamespruch stehen lassen will.«
Wieder klingelte das Telefon, das Yann noch in der Hand hielt.
»Bonjour, Monsieur! Was kann ich für Sie tun? Einen Tisch für sechs Personen, heute um 19 Uhr? Sehr gerne, wird sofort gemacht. Bis heute Abend!«
Er legte den Apparat auf den Tisch und notierte fröhlich die Reservierung auf eine der Papierservietten.
»Es läuft wirklich gut! Die Leute mögen unsere Küche. Pardon, deine Küche!«
Anna Floric machte verlegen eine abwehrende Handbewegung.
»Was ist denn das Besondere an der bretonischen Küche und was sind Ihre persönlichen Spezialitäten, Frau Floric? Das würd mich schon mal interessieren.«
Der Charme des hellen Sommertages und die bezaubernde Umgebung – vielleicht auch die bezaubernde Köchin – hatten bewirkt, dass Georg Angermüller für einen kurzen Augenblick vergaß, warum er hier an diesem traumhaften Platz saß. Plötzlich verspürte er das Bedürfnis, die mühsame Ermittlungsarbeit hinter sich zu lassen und in die angenehmen Sphären exquisiter Gaumenfreuden einzutauchen.
Anna Floric war im ersten Moment etwas irritiert vom Ansinnen des Kommissars, jetzt über Kulinarisches zu referieren, doch dann erzählte sie vom aromatischen Salz aus La Guérande, von den vielfältigen Arten, in der Bretagne den Hummer zuzubereiten und von den köstlichen Salzlämmern aus der Marsch. Dann berichtete sie von den vielen Ähnlichkeiten der bretonischen mit der holsteinischen Küche, die sie entdeckt hatte. Sie vermutete den Grund dafür in dem eher rauen Klima und der Nähe zum Meer in beiden Regionen. Während sie so mit wachsender Begeisterung weiter
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