Steilufer
es im Moment aussieht, können wir von hier aus nichts feststellen. Es gibt keine Zeugen. Wir werden uns jetzt erst mal an den Computer setzen und Hausaufgaben machen müssen, ähnlich geartete Fälle, altbekannte Fassadenmaler überprüfen und so weiter.«
»Na gut. Der vermisste Algerier und diese Parolen, das sind bestimmt nur verschiedene Kapitel derselben Geschichte. Ihr seid nachher bei der Teamsitzung dabei, nehme ich an und euer Leiter wird in diesem Fall ja nicht wieder über Heldenklau meckern.«
Der ›Heldenklau‹, von dem Angermüller sprach, war die nette Umschreibung für den chronischen Personalmangel in der Bezirkskriminalinspektion, wenn ein Kommissariat bei besonders wichtigen Fällen seine Leute mit Kollegen aus einem anderen Kommissariat verstärken musste.
»Nein, diesmal bestimmt nicht! Da ziehen wir doch alle am gleichen Strang!«, lachte Sobinsky.
»Ich dachte eigentlich, das tun wir immer. Habt ihr schon mit den Leuten hier gesprochen?«
»Mit einem Herrn Yann Tanguy, dem Chef des Hauses. Er hat die Schmierereien entdeckt und angerufen. Der hat übrigens auch schon die Presse informiert. Als wir ankamen, war der Christensen von der Lübecker Zeitung hier schon wie wild am Fotografieren.«
»Ist das ein Problem für uns?«
»Nee, denk ich nich. Höchstens, dass diese Affen, die das hier verzapft haben, sich auch noch freuen. Je größer der Medienrummel, den es um ihren Schwachsinn gibt, desto besser finden die das doch!«, schimpfte Sobinsky.
Aufgeregt schnüffelnd umkreiste plötzlich ein langhaariger Hund die Männer und kurz darauf hüpften zwei Jungen die Stufen des Restaurants herunter. Sie blieben kurz stehen, lasen aufmerksam die auf die Hauswand gesprühte Parole und rannten dann auf die Gruppe der Beamten zu.
»Hallo!«, sagten beide und der eine von ihnen, ein ziemlich langer Kerl schon, mit blonden Haaren, schloss gleich die Frage an: »Waren das Rassisten?«
»Hallo, ihr zwei!«, grüßte Angermüller. »Du bist doch der kleine Chef hier? Lionel, oder? Und das ist dein Freund?«
Lionel nickte.
»Kommen die jetzt ins Gefängnis, die das gemacht haben?«
»Dein Freund Jakob hat recht: Leute, die so was denken und an Häuserwände sprühen sind Rassisten und wenn wir sie erwischen, werden sie natürlich bestraft.«
»Erwischt ihr sie denn?«
»Aber klar! Hier, meine Kollegen und ich, wir kriegen die ganz bestimmt.«
Alle Umstehenden nickten eifrig und jeder von ihnen hoffte, man würde ihm die Skepsis ob dieser allzu optimistischen Prognose nicht ansehen. Da fiel Jansen etwas ein:
»Übrigens, wir müssen uns bei euch ja noch bedanken! Das war wirklich klasse, wie ihr den Motorroller gestern aufgestöbert habt! Ihr habt sehr umsichtig gehandelt und uns bei der Arbeit prima unterstützt!«
Jakob und Lionel sagten nichts und sahen sich nur an. Aber an dem verlegenen Grinsen, das sich auf ihren Gesichtern breitmachte, war deutlich zu erkennen, dass sie ziemlich stolz auf dieses Lob waren.
Die Männer vom K5 hatten sich gerade verabschiedet, als Anna Floric um die Ecke des Restaurants herangestürmt kam.
»Was ist los? Haben Sie Fouhad gefunden?«
Jetzt erst wurde sie der Parole an der Hauswand gewahr, blieb stehen und rief entsetzt:
»Was ist das denn?«
Sie lief auf Angermüller, Jansen und die Kinder zu. Ihre schwarze Aktentasche ließ sie fallen, griff nach den beiden Jungen, legte ihre Arme um sie und drückte sie an sich.
»Wer hat das gemacht?«
Sie sah die beiden Beamten fassungslos an. Angermüller antwortete:
»Das werden wir herausfinden, das habe ich Lionel und seinem Freund auch schon versprochen. Beruhigen Sie sich, Frau Floric! Ich weiß, das ist schlimm, aber es ist ja sonst nichts passiert.«
Angermüller konnte sehen, dass die junge Frau mit den Tränen kämpfte. Sie sah heute anders aus als bei ihrem ersten Treffen und dieses elegante Kostüm stand ihr ausgezeichnet, fand er. Natürlich konnte er ihre Aufregung durchaus verstehen. Schließlich war Lionel mit seiner dunklen Hautfarbe auch ein Angriffsziel für diese Typen, die in ihrem dumpfen Hass auch nicht vor brutalen Attacken auf Kinder zurückschreckten. Allmählich schien sich Anna Floric wieder etwas zu fassen und sie atmete tief durch.
»Meinen Sie, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Fouhad und dem hier?«, fragte sie nach einem kurzen Moment.
»Der Gedanke liegt natürlich nahe, aber bis jetzt haben wir noch keine konkreten Hinweise. Wir würden jetzt
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