Stein der Dämonen
sie endlich. »Es ist nicht schön, und es fordert uns viel Schweiß und Tränen ab. Die Schatten sind allgegenwärtig, und niemand kann sie fassen. Aber sie verderben uns, lassen Frauen hysterisch werden und Männer zu Böcken. Immer wieder höre ich, dass es bei meiner Geburt noch anders war. Dann allerdings stampften Dämonen durch die Steppe, und das Gebirge des Schreckens begann zu wachsen. Anfangs noch unbeachtet, später unbesiegbar. Heute sind Salamiter und Heymals an vielen Stellen dabei, Brücken über die Versteinerungen zu schlagen. Aber alle ihre Bemühungen werden über kurz oder lang zunichte. Die Felsen bewegen sich unaufhaltsam und zermalmen, was ihnen im Weg ist.«
»Dein Vater nennt sich Fischer…«
»Weil die Felsen aussehen wie die Korallenbänke des Meeres und weil wir Männer und Frauen an langen Seilen in die Tiefe hinablassen, wo kostbare Dinge zu holen sind. Allein die Gehäuse der Riesenschnecken finden vielfache Verwendung. Mancher Magier vermag aus ihnen die Zukunft zu erkennen. Dann gibt es Pflanzen, deren Gifte einen Menschen über Monde hin lähmen oder gar töten. Sie sind eine begehrte Handelsware, aber schwer zu erbeuten. Noch gefährlicher ist die Suche nach den Schwarzperlen, von denen manche größer werden als meine halbe Faust. Ihnen haftet eine deutlich spürbare magische Ausstrahlung an, die allerdings außerhalb der Straße des Bösen erlischt. Indes bleiben sie selbst dann von einer Schwärze, die jegliches Licht zu schlucken scheint.«
»Diese Leute, die in die Schluchten hinabsteigen, sind das alles Freiwillige?« Mythor dachte daran, dass ein einzelner sich wohl kaum der vielen Gefahren erwehren konnte. Zum anderen ahnte er plötzlich, weshalb Rochad ihn des öfteren überaus interessiert und lauernd zugleich angesehen hatte. Glaubte der Fischer gar, in ihm einen »Freiwilligen« gefunden zu haben? Rochad schien nämlich durchaus der Mann zu sein, der dem Schicksal auf die Sprünge half, wenn es ihm einmal nicht wohlgesinnt war.
Mistra wollte gerade antworten, als von draußen das kurze Bellen des Bitterwolfs erklang. »Ich sehe nach«, sagte sie, noch ehe Mythor sich aufrichten konnte.
Er lauschte ihren leisen Schritten. Hark war wieder verstummt, hatte vielleicht nur ein nächtliches Raubtier gewittert, das auf seinem Beutezug in die Nähe der Siedlung gelangt war.
Dennoch wurde Mythor das unbestimmte Gefühl nicht los, dass sich um ihn herum einiges zusammenbraute. Er glaubte das Verderben zu spüren, das in der Nähe lauerte.
War da nicht ein ersticktes Röcheln, gefolgt von dem schweren Fall eines Körpers?
Im nächsten Moment stand Mythor auf den Beinen und löschte die Lampe. Hastig warf er eine Decke über Altons Klinge, um das verräterische Leuchten zu verbergen.
Jemand bewegte sich durch den Nebenraum, schlich näher. Es waren vorsichtige, schlurfende Schritte, nicht die von Mistra. Eines der Dielenbretter knarrte.
Stille.
Mythor ließ den Vorhang nicht aus den Augen. Einige Falten des schweren Stoffes bewegten sich wie unter einem leichten Windhauch.
Mit bösartigem Sirren flog etwas an Mythors Schläfe vorbei und ritzte fast seine Haut. Tief bohrte es sich in die Wand hinter ihm.
Der Kämpfer der Lichtwelt sprang vor, riss mit der Linken den Vorhang beiseite und wirbelte Alton durch die Luft. Aber da war niemand. Der Raum mit der flackernden Glut im Kamin lag leer und verlassen vor ihm. Nur die Tür hing halb geöffnet in den Angeln, doch konnte niemand sie innerhalb eines einzigen Augenblicks erreicht haben. Da der Angreifer dennoch verschwunden war, musste er sich wohl in Luft aufgelöst haben.
Mythor trat ins Freie hinaus. Hier herrschte fast völlige Dunkelheit, und es war schwer, sich auf Anhieb zurechtzufinden. Nur an der Mauer brannte ein Feuer. Sein Schein blendete, und die Flammen warfen gespenstisch zuckende Schatten.
Wenige Schritte von Mythor entfernt lag eine reglose Gestalt am Boden. Es war Mistra. Und neben ihr kauerte der Bitterwolf und stieß sie immer wieder mit seiner feuchten Schnauze an.
Mythor war erleichtert, dass das Mädchen nur bewusstlos war. Mehrmals schlug er sie mit der flachen Hand ins Gesicht, bis sie endlich wieder zu sich kam.
Mistra erwachte mit einem gellenden Schrei, der wohl jeden Schlafenden hochriss. Ihr Blick zeigte deutliche Verwirrung. Was immer sie gesehen hatte, musste schrecklich für sie gewesen sein.
Ringsum wurden nun Stimmen laut. Die Salamiter kamen mit brennenden Fackeln aus ihren Hütten
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