Stein und Flöte
aufs Spielen gebracht hast?‹ sagte er. ›Nun mußt du auch für deine Worte einstehen. Heute ist es leider schon zu dunkel dazu, aber halte dich morgen bereit. Ich werde dich rufen lassen, und dann wollen wir doch sehen, wer hier der bessere Spieler ist. Du kannst jetzt gehen. Hauinsbein wartet draußen auf dich und zeigt dir, wo du schlafen kannst. Überleg dir inzwischen, um welchen Preis wir spielen sollen. Hoffentlich stört der Gedanke daran nicht deine Nachtruhe.‹ Kluibenschedl lachte noch einmal kurz auf und entließ Arni mit einem Wink.
Als Arni vor die Tür trat, war die Sonne schon untergegangen. Die Bergkämme rings um das Tal schnitten scharf in den blassen Abendhimmel, und vom Joch her blies ein kalter Wind. Hauinsbein stieß sich von der Hauswand ab, an der er gelehnt hatte, und sagte: ›Ich zeige dir das Schlafhaus der Fremden.‹ Er führte Arni weiter durch das Dorf, und auf diesem Weg entdeckte Arni seine Tochter Rikka. Sie saß, an den Eingangspfosten gefesselt, vor der Tür einer der Hütten und aß ein Stück Brot. Ihre Kleider waren zerfetzt, und auf Armen und Beinen wie im Gesicht zeigten sich blutunterlaufene Striemen von dem raschen Ritt durchs Unterholz. Als Arni an ihr vorüberging, blickte sie auf.
Rikka hat mir erzählt, daß sie zu Tode erschrocken sei, als sie ihren Vater im Dorf der Blutaxtleute gesehen habe. Im ersten Augenblick habe sie nur denken können, daß auch er in ihre Gewalt gefallen sei. Sie habe ihn entsetzt angestarrt, doch ihr Vater habe ihr zugelächelt und rasch den Finger auf die Lippen gelegt. Da habe sie die Hoffnung gefaßt, daß er versuchen würde, sie zu befreien, und rasch den Kopf gesenkt, um ihn nicht durch ihre Blicke zu verraten; denn keiner habe bisher gewußt, daß sie Arnis Tochter sei. Ihr Entführer habe zwar versucht, mit ihr zu reden, aber sie habe seine Sprache nicht verstanden und auch dann keine Antwort gegeben, als er sie, wenn auch mühsam, in der Sprache der Bergdachse nach ihren Eltern gefragt habe. Ihr sei inzwischen klar gewesen, daß sie aus eigener Schuld in diese Lage geraten sei, und sie habe zunächst abwarten wollen, ob sie nicht eine Gelegenheit zur Flucht finden könne. In der Nacht nach Arnis Ankunft habe sie kein Auge zugetan und auf jedes Geräusch gelauscht, in der Hoffnung, ihr Vater würde ins Haus schleichen, wenn alle schliefen, aber er sei nicht gekommen. Am Morgen des nächsten Tages habe man sie dann wieder vor der Tür angebunden, und so habe sie alles beobachten können, was dann weiter geschah, und ich will versuchen, es so wiederzugeben, wie sie es mir erzählt hat. Einige Zeit, nachdem man Rikka hinausgebracht hatte, trat Arni vor die Tür der Hütte, in der er die Nacht zugebracht hatte, reckte sich wie einer, der lange und gut geschlafen hat, und schlenderte dann durchs Dorf, ohne Rikka auch nur einen Blick zuzuwerfen. Etwas später kam dann Hauinsbein aus dem Häuptlingshaus und sprach mit Arni. Er hörte ihm zu und nickte ein paarmal, als sei er mit dem Vorschlag einverstanden, der ihm gemacht wurde. Da ging Hauinsbein zurück ins Häuptlingshaus und brachte gleich darauf einen Tisch und zwei Schemel heraus, die er mitten auf den Dorfplatz stellte. Während er damit beschäftigt war, rief er den Leuten, die neugierig vor die Türen ihrer Hütten getreten waren, etwas zu. Die Sache, die hier in Gang gesetzt werden sollte, schien alle mächtig zu interessieren; denn es kamen immer mehr Leute aus ihren Häusern. Die Männer sammelten sich um den Tisch, nur die Frauen und Kinder blieben zurück und setzten sich auf die Türschwellen. Rikka wurde von den Kindern ihres Entführers beiseite gedrängt und mußte aufstehen, wenn sie nicht auf den schmutzigen Vorplatz fallen wollte.
Hauinsbein hatte inzwischen ein Spielbrett auf den Tisch gelegt und auf jeder Seite einen Haufen Steine, schwarze und weiße. Dann kam der Häuptling aus seinem Haus, gab Arni einen Wink, daß er sich an den Spieltisch setzen solle, und nahm selbst ihm gegenüber Platz. Als Rikka das sah, wurde sie zornig auf ihren Vater. Er mußte wissen, daß diese Leute sie entführt hatten, und statt etwas für sie zu tun, setzte er sich mit ihrem Häuptling an den Spieltisch wie mit einem alten Freund. In diesem Augenblick hätte sie ihn fast verraten; denn sie war drauf und dran, ihm zuzuschreien, was sie von einem solchen Verhalten hielt. Aber dazu kam es zum Glück nicht, denn nun erfuhr sie, was ihr Vater vorhatte.
Der Häuptling hatte ihm
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