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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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gebracht, als du noch geschlafen hast.« Ihre Augen funkelten wie nach einem gelungenen Spaß, und Lauscher konnte sich gut vorstellen, wie sie auf Zehenspitzen ins Zimmer geschlichen war, um ihn mit seiner verwandelten Flöte zu überraschen.
    »Was ist mit ihr geschehen?« fragte er. »Sie sieht aus, als wäre sie aus Gold.«
    Arnilukka lachte. »Aus Gold ist sie nicht«, sagte sie. »Es ist deine alte Flöte. Aber mein Vater hat sie heute Nacht von einem geschickten Meister vergolden lassen, um dir eine Freude zu machen. Ich hoffe, es hat ihr nicht geschadet.«
    »Nein, das hat es nicht«, sagte Lauscher. »Du hast sie ja gehört: Sie klingt schöner als je zuvor. Ich sollte sie heute noch einmal auf dem Markt spielen.«
    »Das wird nicht gehen«, sagte Arnilukka.
    »Warum nicht?« fragte Lauscher.
    »Schau hinaus!« sagte sie und ging hinüber zum Fenster. Lauscher trat neben sie und blickte hinaus auf den Marktplatz. Die Verkaufsbuden hatte man fortgeräumt, und kein Händler war mehr zu sehen. Statt dessen standen Gruppen von Männern im Gespräch beieinander, und aus den Seitengassen kamen immer noch mehr, Schmiedemeister mit ledernen Schürzen, Bergleute und Steinsucher, die ihre Hämmer am Gürtel trugen, und natürlich auch Eisenschmelzer in ihren groben Holzschuhen. »Wozu kommen all diese Leute zusammen?« fragte Lauscher.
    »Heute versammelt sich die Talschaft«, sagte Arnilukka. »Wir können hier vom Fenster aus zusehen. Wenn du nichts versäumen willst, mußt du dich mit dem Frühstück beeilen.« Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und setzte lachend hinzu: »Vorher solltest du dich allerdings ein bißchen waschen und deine strubbeligen Haare kämmen und auch deine Schuhe anziehen.« Sie goß Wasser aus ihrem Krug in das Becken auf der Truhe und sagte noch: »Mach schnell!« ehe sie hinausging.
    Wenig später hatte Lauscher all diese morgendlichen Verrichtungen hinter sich gebracht und lehnte neben dem Mädchen in der Fensterleibung seines Zimmers. Der Marktplatz hatte sich inzwischen weiter mit Menschen gefüllt, die sich, je nach ihrem Gewerbe, zu einer offenbar festgelegten Ordnung aufstellten. Arnilukka zeigte Lauscher wichtige Leute und nannte viele Namen, die er im nächsten Augenblick schon wieder vergessen hatte. Er merkte sich nur, daß Schiefmaul, der als Vormann in der ersten Reihe der Eisenschmelzer stand, eigentlich Sparro hieß. »Aber so nennt ihn keiner mehr seit dem Tag, an dem sein Ofen platzte und ihm die glühende Schmelze ins Gesicht spritzte«, sagte Arnilukka. Der Platz summte von den Gesprächen der vielen Männer, doch sobald der Erzmeister aus der Tür trat, wurde es auf einen Schlag still. Promezzo trug über seinem Wams aus rotem Wollstoff eine breite Amtskette, deren einzelne Glieder abwechselnd aus Eisen, Bronze, Silber und Gold geschmiedet waren zum Zeichen, daß er allen Gewerken des Tales vorstand.
    Zunächst wurden Rechtsfragen abgesprochen, Schürfrechte verhandelt und dergleichen mehr, alles Dinge, die wohl für die Talschaft wichtig waren, aber Lauscher nicht viel sagten, da er kaum eine Ahnung hatte, von welchen Gegenständen im einzelnen die Rede war. Doch dann horchte er auf, denn Promezzo kündigte an, daß er die Versammlung wegen einer Sache befragen wolle, die Handelsrechte betreffe. »Die Händler aus den Städten im Westen«, sagte er, »haben bei mir angefragt, ob wir ihnen erlauben wollen, hier im Tal von Arziak Gold- und Silberschmuck sowie geschmiedetes Eisen aufzukaufen und weiter zu verhandeln. Ich meine, über diese Angelegenheit sollte die Talschaft entscheiden. Wer hat dazu etwas zu sagen?«
    Als erster meldete sich ein weißhaariger Meister aus der Gruppe der Goldschmiede zu Wort und sagte: »Ich stimme gegen diesen Vorschlag. Ein Händler aus dem Westen hat einmal Unglück in dieses Tal gebracht, und das kann immer wieder geschehen.« Seine Zunftgenossen nickten beifällig, und auch unter den anderen Männern riefen einige, daß sie nichts mit den Händlern aus dem Westen zu tun haben wollten. Ein Schmied von beträchtlichem Leibesumfang warf zwar ein, die Goldschmiede hätten leicht reden in dieser Frage; sie brauchten ja nicht viel zu tragen, wenn sie ihre Waren selber von Ort zu Ort verkaufen müßten. Schmiede seien da schon schlechter dran. Aber da rief ihm auch schon ein anderer zu: »Das täte deinem Bauch ganz gut, wenn du deinen Eisenkrempel über Land schleppen mußt!« und so erstickte dieser Einwand im Gelächter der Leute.
    Promezzo

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