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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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auch seine Tochter, gab ihr einen Kuß und entdeckte dabei das Kettchen mit der Muschel. »Da hat dir deine Mutter auf dem Markt wieder einmal ein hübsches Zauberding gekauft«, spottete er. Aber Arnilukka war mit dieser Deutung nicht einverstanden. »Das ist kein Zauberding«, sagte sie ernsthaft. »Das ist eine richtige Muschel aus einem Teich. Ich mag sie, weil sie schön ist.«
    »Recht so«, sagte Promezzo und nickte zufrieden. »Was man mit seinem Verstand klären kann, sollte man nicht mit Geheimnissen verschleiern. Und eine vernünftige Erklärung läßt sich schließlich für alles finden, wenn man nur lange genug nachdenkt.«
    Man konnte Akka am Gesicht ablesen, daß sie mit dieser Feststellung nicht einverstanden war. Auch Promezzo bemerkte das, und es war ihm wohl nicht neu. »Ich weiß«, sagte er, »für dich steckt hinter den natürlichen Dingen immer noch etwas anderes, das sich mit dem Verstand allein nicht fassen läßt. Du bist eben eine Frau aus Urlas Sippe, und dein Vater war ja auch nicht anders mit seiner ständigen Suche nach dem Geheimnis seines Steins.« Als er merkte, daß der Blick seiner Frau sich trübte, legte er ihr die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich wollte dir nicht wehtun. Dein Vater war einer der liebenswertesten Menschen, denen ich je begegnet bin. Ich meine nur, daß er mit vernünftigen Argumenten bei seinen Leuten mehr hätte erreichen können als mit solch obskuren Träumereien.«
    Lauscher hatte diesem Disput interessiert zugehört und sagte jetzt: »Erreicht hat er anscheinend doch etwas, wenn auch erst nach seinem Tod. Man sagt, daß ein Teil der Horde sich entschlossen haben soll, seinem Beispiel zu folgen.«
    »Davon habe ich allerdings auch gehört«, sagte Promezzo. »Ein Mann namens Höni soll die Sache in die Hand genommen haben, und das scheint ein kluger Kopf zu sein. Nach dem Wenigen, das ich davon erfahren habe, hat er sich die vernünftigsten Ideen Arnis herausgesucht und sie in die Tat umgesetzt. Er hat offenbar erkannt, daß es vor allen Dingen nützlich ist und dazu auch noch angenehm, wenn man ein friedliches Leben führt. Manche meinen allerdings, das Ganze sei nichts weiter als eine groß angelegte Hinterlist der Horde, um die Nachbarn in Sicherheit zu wiegen. Ich habe jedenfalls noch nie erlebt, daß Menschen ihre Gewohnheiten so rasch ändern.«
    An dieser Stelle wurde das Gespräch von den Mägden unterbrochen, die das Mittagessen auftrugen. Lauscher konnte feststellen, daß man auch in Arziak nicht schlecht lebte. Während er den in eine knusprige Kruste von Brotteig eingebackenen saftigen Schinken sich schmecken ließ, beschäftigte ihn noch immer, was Promezzo über Höni und Arnis Leute gesagt hatte, wenn er auch die Zweifel des Erzmeisters an der Ehrlichkeit dieser Sinnesänderung nicht teilen konnte. Aber das übrige leuchtete ihm durchaus ein. Höni hatte in erster Linie den praktischen Nutzen eines solchen Lebens erkannt, und das ganze Getue mit Arni veranstaltete er wohl nur deshalb, weil die einfachen Gemüter immer ein Vorbild benötigen, dem sie nacheifern können, nach Möglichkeit sogar eines, das nicht mehr am Leben ist und sie deshalb nicht enttäuschen kann. Wahrscheinlich hielt Höni von Arnis Stein genauso wenig wie dieser nüchtern denkende Erzmeister, aber er hatte sich seiner bemächtigt, weil er den Leuten etwas Sichtbares vor Augen stellen wollte, das gewissermaßen den Sinn ihres Gemeinwesens verkörperte. Lauscher war zumute, als sei er bislang in Träume verstrickt gewesen und sehe nun endlich klar. Jetzt würde es nur noch darauf ankommen, Promezzo von der Nützlichkeit einer Handelsverbindung mit Arnis Leuten zu überzeugen. Seine Flöte, die er bisher zu diesem Zweck eingesetzt hatte, war wohl letzten Endes auch kein solch geheimnisvolles Instrument, wie er bisher angenommen hatte. Musik ging den Leuten nun einmal zu Herzen, das war eine schlichte Erfahrungstatsache, die genauso kalkulierbar war wie der Handelswert einer Ware. Es kam dabei einzig darauf an, daß der Spieler seinen Zuhörern Melodien in die Ohren blies, die geeignet waren, ihre Gedanken in die gewünschte Richtung zu lenken.
    Während ihm all dies durch den Kopf ging, gewann Lauscher eine neue Sicherheit, und er mußte darüber lächeln, daß ihn bisher jedesmal das ungute Gefühl beschlichen hatte, er treibe einen unerlaubten Mißbrauch, wenn er seine Flöte dazu benutzte, das Bewußtsein seiner Zuhörer zu beeinflussen. Schließlich tat er dies

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