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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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angekündigt, daß du einen Boten übers Gebirge zu Arnis Leuten schicken willst. Nun trifft es sich, daß ich selber vorhabe, nach dem Jahrmarkt von Arziak zu Arnis Leuten zu reiten. Willst du mich zu deinem Boten machen? Ich würde diese Aufgabe gern übernehmen.«
    Promezzo bedachte sich eine Zeitlang und sagte dann: »Du nimmst mir eine schwierige Entscheidung ab, Lauscher. Es ist gar nicht so leicht, im Tal einen geeigneten Mann für einen solchen Auftrag zu finden. Die Leute hier sind eher wortkarg, aber Spielleute wie du verstehen sich aufs Reden, und dem Klang deiner Flöte kann ohnehin niemand widerstehen. Ich danke dir also für dieses Angebot und nehme es gern an.«
    Arnilukka mischte sich jetzt ein und sagte: »Darf ich mit Lauscher übers Gebirge reiten? Ich möchte so gern wieder einmal zu Großvaters Haus an der Steppe.«
    Promezzo lachte und sagte: »Diesmal noch nicht. Lauscher hat einen schwierigen Auftrag und kann dabei nicht auch noch auf ein kleines Mädchen aufpassen. Später, wenn wir mit Arnis Leuten einig geworden sind, wird noch Zeit genug dafür sein.«
    »Kennst du denn Arnis Haus?« fragte Lauscher das Mädchen.
    Arnilukka nickte eifrig. »Als er noch lebte«, sagte sie, »hat er mich oft vor sich auf sein Pferd gesetzt und ist mit mir über den Paß zu seiner Hütte geritten. Nirgends hat es mir bisher so gut gefallen wie dort, wo man weit hinausschauen kann über das viele Gras.«
    »Arni hatte einen Narren an seiner Enkelin gefressen«, sagte Promezzo, »und das nicht nur deshalb, weil wir sie nach ihm benannt haben. Seit er sie zum ersten Mal mitgenommen hatte in sein Haus, wollte sie immer wieder dorthin.«
    »Warst du auch schon in der Steppe, Lauscher?« fragte Arnilukka.
    »Ja«, sagte Lauscher, »einmal bin ich durch die Steppe geritten.«
    »Warum machst du so ein komisches Gesicht, wenn du daran denkst?« fragte das Mädchen. »Hat es dir dort nicht gefallen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Lauscher. »Der weite Blick vom einen Ende des Himmels bis zum anderen und nirgends ein fester Punkt für das Auge, an den man sich halten kann – ich habe mich ein bißchen gefürchtet.«
    Arnilukka lachte hell auf. »Wie kann man sich vor etwas so Schönem fürchten!« rief sie. »Warte nur, wenn du mit mir dort bist, wird es dir gefallen, und du wirst dich nicht mehr fürchten.«
    Jetzt lachten auch die beiden Männer. »Du traust dir ja viel zu«, sagte Promezzo. »Aber diesmal wird Lauscher allein reiten müssen.«
    »Gleich morgen?« fragte Arnilukka.
    »So eilig ist das nicht«, sagte Promezzo, und zu Lauscher gewendet fügte er hinzu: »Ich hoffe, du bleibst noch ein paar Tage unser Gast.«
    Im ersten Augenblick wollte Lauscher diese Einladung ablehnen. Hatte er nicht vorgehabt, so schnell wie möglich zurückzureiten zu Narzia, um ihr Promezzos Botschaft wie eine Hochzeitsgabe zu Füßen zu legen? Er wunderte sich selbst darüber, daß er zögerte, und fragte sich, was ihn hier noch hielt. Als dann auch noch Arnilukka anfing zu betteln, daß er doch bleiben solle, geriet sein Entschluß vollends ins Wanken. Narzia schien ihm plötzlich unendlich weit entfernt zu sein, und es wollte ihm nicht gelingen, sich ihr Gesicht vorzustellen. Er schaute Arnilukka an und konnte ihren Augen nicht widerstehen. »Gut«, sagte er, »dann bleibe ich noch.«
    An einem der nächsten Tage sagte Promezzo am Morgen zu Lauscher, er wolle hinüberreiten ins Nachbartal zu den Pferdeweiden und ob Lauscher Lust habe, ihn zu begleiten. Lauscher hatte sich mittlerweile hinreichend in Arziak umgesehen und freute sich über diese Abwechslung. Sobald Arnilukka von diesem Plan hörte, fing sie an, ihrem Vater in den Ohren zu liegen, er solle auch sie mitnehmen. »Du weißt doch, wie gern ich drüben im Flachtal bin«, sagte sie. »Das ist fast so schön wie die Steppe.«
    Promezzo ließ sich schließlich von ›dieser kleinen Beutereiterin‹, wie er sie nannte, erweichen und sagte zu Lauscher: »Wir nehmen jeder einen Jagdbogen mit. Vielleicht treffen wir irgendwo oben im Schauerwald auf Wild.«
    »Willst du übers Gebirge reiten?« fragte Arnilukka, und man konnte ihr ansehen, daß ihr dies nicht lieb war. Aber Promezzo sagte, daß sie keine Zeit hätten, den langen Umweg durch das Tal zu reiten. »Wenn du dich vor dem Schauerwald fürchtest, mußt du hierbleiben.«
    Arnilukka schluckte, und das sah aus, als wolle sie ihre Angst hinunterwürgen. Dann sagte sie mit fester Stimme: »Es ist mir gleichgültig, welchen

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