Stein und Flöte
voller Blüte standen, weiße und zartrosa gefärbte und auch solche mit fast kugelrunden, leuchtend gelben Blüten.
Nach der Erhitzung der Kletterei überkam ihn die Lust, hier ein Bad zu nehmen. Er riß sich die Kleider vom Leib, warf sie ins Gras und lief platschend in den Teich hinein, bis ihm das Wasser bis zur Brust stand. Tiefer ging’s hier nicht hinab, dafür stand ihm eine ausgedehnte Wasserfläche zur Verfügung, und während er sie mit weit ausgreifenden Schritten durchquerte, staute sich eine schäumende Welle vor seiner haarigen Brust, daß er sich vorkam wie ein Wassermann, der sein Reich inspiziert. Er roch an den Blüten der Wasserrosen, versuchte auch, eine von ihnen zu pflücken, doch der Stengel war so zäh, daß er ihn nicht abreißen konnte. So planschte er in dem flachen Becken herum wie ein verspieltes Kind, versuchte einen Kopfstand, tauchte prustend wieder auf, spie das Wasser in weitem Bogen aus wie eine Brunnenfigur und schaute dann lachend zu, wie ein paar erschreckte Frösche mit kräftigen Schwimmstößen das Weite suchten. Als er genug herumgetollt hatte, setzte er sich auf ein aus Steinbrocken aufgetürmtes Inselchen inmitten des Teichs, ließ die Beine ins Wasser hängen und beobachtete, wie die dicken, bemoosten Karpfen mit trägem Flossenschlag herantrieben und seine Zehen zu beknabbern versuchten.
Während er so vor sich hinträumte, schwamm vom anderen Ende des Teichs ein Schwarm Enten heran. Auch diesmal war wieder die weiße dabei. Sie ließ sich langsam zu ihm heranschaukeln, beäugte ihn von oben bis unten in all seiner haarigen Nacktheit und sagte: »Bist du’s zufrieden, den Wassermann zu spielen? Du solltest dich auf den Weg machen! Hast du vergessen, daß du erwartet wirst?«
Er hatte es über all der feuchten, wasserplanschenden Lustbarkeit wirklich vergessen, aber nun schoß es ihm wieder wie ein heißer Stich ins Herz, daß er ein Ziel hatte und erwartet wurde. Mit einem weiten Satz sprang er von seiner Felsklippe, schlug der Länge nach ins Wasser, daß gewaltige Kaskaden rings um ihn aufspritzten, kam prustend und wasserspuckend wieder an die Oberfläche, stürmte ans Ufer und lief weiter in den Garten hinein, ohne auch nur einen Gedanken an seine Kleider zu verschwenden. Und während er über den Rasen rannte, hörte er hinter sich wieder dieses Lachen, süß wie das Gurren einer Taube und volltönend, als läute eine bronzene Glocke.
Die leuchtend grüne Rasenfläche endete an einer brusthohen Buchsbaumhecke. Lauscher übersprang sie mit einem weiten Satz und landete inmitten eines verwirrenden Wirbels von Farben und Düften. In vielfältigen Ordnungen auf Rabatten und Rondellen drängten sich Blüten an Blüten. Neben den bräunlichgelben und violetten Blütenrispen des Goldlack und der Levkojen prangten die dunkelroten Köpfe der herb riechenden Pfingstrosen, das tränende Herz ließ seine Ketten von rosa Blüten weinen, violette und weiße Hyazinthen verströmten ihren berauschenden Duft, und über allem lag der balsamische Geruch blauer, purpurner und gelber Schwertlilien, die in stolz aufschießenden Büscheln aus dem Gewirr schlangengleicher Wurzeln trieben. Lauscher folgte den Windungen unüberschaubarer Ornamente, geriet in das immer engere Kreisen von Spiralen, bis der Pfad an einem Punkt endete, von dem aus es keinen Ausweg mehr zu geben schien, doch er sprang einfach heraus aus diesem Bann der Schneckenlinie und lief weiter, vorüber an einem zierlichen Wald hochstämmiger Fuchsien mit roten und weißen Glöckchen, deren lautloses Läuten er zu hören meinte, und wenn er schon glaubte, einen Weg gefunden zu haben, der weiterführte zu einem Ziel, das sich zwischen hohen, dunklen Hecken verbarg, geriet er doch wieder mit der nächsten Biegung zurück in überwölbte Gänge, die unter der Last blühender Kletterrosen fast zusammenbrachen, und lief weiter, verführt von all den betörenden Düften blütenüberschneiter Jasminbüsche und der elfenbeingelben Trompetenquirle an den Geißblattranken, vom Farbenrausch des Goldregens und der samtblauen Clematissterne, wurde abgelenkt, immer tiefer in diese zauberische Irre geführt, ließ sich überwältigen von der Pracht übermannshoher Stauden des himmelblauen Rittersporn und roten Fingerhut und betäuben vom bitteren Duft blaßvioletter Mohnblüten, der ihm einflüsterte, dieses rastlose Hasten über die Gartenwege zu lassen, die vergebliche Suche nach einem Ziel in der Außenwelt aufzugeben und nur
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