Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
Vom Netzwerk:
bemerkenswerte Dinge über dich berichtet, daß ich mich mit dir ein bißchen unterhalten möchte.« Dann dankte er dem Hüter der Falken dafür, daß er den Gast zu ihm gebracht hatte, und entließ ihn.
    Wenn Lauscher gemeint haben sollte, daß nun die Sache mit dem Zuchthengst zur Sprache kommen würde, dann hatte er sich geirrt. Der Großmagier legte ihm freundlich den Arm um die Schulter, führte ihn zu einem bequemen Sessel an einen Tisch vor dem Westfenster und bat ihn, Platz zu nehmen. Dann setzte er sich ihm gegenüber und schaute ihn eine Zeitlang schweigend an. Lauscher wunderte sich über die einfache Kleidung des Herrn von Falkenor. Er trug eine Art schwarzer Kutte aus Wolle, die durch einen Ledergürtel zusammengehalten wurde. Die schmalen, feingliedrigen Hände standen in merkwürdigem Gegensatz zu dem schlichten Gewand; sie ruhten entspannt auf dem groben Gewebe, und am Mittelfinger der Rechten funkelte im schwindenden Licht ein großer Smaragd in einer goldenen Fassung von der Gestalt eines Falkenkopfes. Lauscher ertappte sich dabei, daß er auf den Ring starrte, und wendete rasch den Blick ab, als könne der Großmagier die Gedanken erraten, die ihm bei diesem Anblick in den Sinn kamen. Vielleicht konnte er das tatsächlich, denn er sagte: »Du hast einen weiten Weg auf dich genommen, um Hönis Tochter für dich zu gewinnen. Offenbar ist sie ebenso schön, wie ihre Mutter gewesen ist.«
    »Hast du ihre Mutter gekannt?« fragte Lauscher.
    Der Großmagier lächelte. »Weißt du das nicht?« sagte er. »Es gab eine Zeit, da nannte man mich Wendikar, den Hüter der Falken. Soll ich meine eigene Tochter nicht kennen?«
    Jetzt verstand Lauscher, warum ihm das Gesicht des Großmagiers so vertraut erschienen war, und er fragte sich, ob Narzia gewußt hatte, daß es ihr Großvater war, dessen Ring er ihr bringen sollte. Unter diesen Umständen würde der Großmagier ihm zumindest das Pferd wohl nicht verweigern. Allerdings schien er im Augenblick alles andere im Sinn zu haben, als über den Zuchthengst zu reden, sondern erkundigte sich nach seiner Enkelin, die er noch nie gesehen hatte, und nach Höni, von dessen Streit mit dem Khan ihm schon einiges zu Ohren gekommen war. »Diesen Arni habe ich bei Hönis Hochzeit kennengelernt«, sagte er. »Er hielt sich schon damals abseits von seinen Leuten und suchte immer wieder das Gespräch mit mir und den anderen Kleinmagiern. Er hatte merkwürdige Ansichten für einen Beutereiter. Einmal habe ich ihn gefragt, ob er nicht bei uns bleiben wolle. Der Meister der Steine war damals gerade gestorben, und wir hätten Arni gern in unseren Kreis aufgenommen. Er bat sich Bedenkzeit aus, aber schließlich lehnte er dann doch ab. Er könne auf die Dauer nicht außerhalb der Steppe leben, sagte er, und außerdem habe er sich ein für allemal entschieden, bei der Horde zu bleiben. Ich fragte ihn, ob er hoffe, die Lebensweise der Beutereiter ändern zu können. Da zuckte er mit den Schultern und sagte: ›Kann man einen Menschen dazu zwingen, seine Anschauungen von Gut und Böse zu ändern? Ich weiß nur, wie ich selber sein möchte.‹ Und als ich sagte, daß jeder friedliche Hund einen Wolf zum Ahn habe, antwortete er: ›Wenn du einem alten Wolf das Rauben verbietest, wird er sterben oder in Raserei verfallen.‹ Um so mehr wundert mich jetzt, was du mir über Arnis Leute erzählst.«
    »Arnis Worte und Taten sind nicht mit ihm gestorben«, sagte Lauscher, und erst der leicht befremdete Ausdruck auf dem Gesicht des Großmagiers brachte ihm zu Bewußtsein, daß er bei diesen Worten in die feierliche Redeweise verfallen war, in der man bei Arnis Leuten dergleichen Äußerungen zu rezitieren pflegte.
    »Ich frage mich, ob es das war, was Arni im Sinn hatte«, sagte der Großmagier. »Höni ist sich dessen sicher«, sagte Lauscher. »Man hat ihn zu Arnis Stellvertreter gewählt, weil es keiner so gut versteht wie er, Arnis Worte auszulegen.«
    Lauschers Eifer schien den Großmagier zu amüsieren. »Du brauchst Hönis Fähigkeiten nicht vor mir zu rühmen«, sagte er lächelnd. »Ich habe ihn kennengelernt als einen Mann, der klug zu argumentieren versteht und sich dabei stets an Vorstellungen hält, die sich verwirklichen lassen. Er ist weder ein Zweifler noch ein Träumer. Wenn Höni etwas in die Hand nimmt, dann weiß er auch genau, was er damit erreichen will. Arni mag ihm einige Ideen dazu geliefert haben, aber das Gemeinwesen von Arnis Leuten ist Hönis Werk, das kannst du

Weitere Kostenlose Bücher