Stein und Flöte
Fisch, was sich unter dem Geflirr von Grün, Blau und Violett heraufhob, sondern ein Gesicht, das Gesicht eines Mädchens, das ihn anblickte, und die Augen des Mädchens hatten die gleichen Farben wie der Stein, so daß der Bocksfüßige nicht wußte, ob diese farbigen Ringe sich in den Augen des Mädchens spiegelten, oder ob das vielfarbige Leuchten seinen Ursprung in diesen Augen hatte, und während er noch darüber nachdachte, öffnete das Mädchen den Mund und rief: »Flöter! Ich habe dich gesehen!«
»Wer bist du?« sagte Steinauge. »Warum bist du denn vor mir davongelaufen?«
Da versank das Bild unter den Wellenkreisen, und zugleich begann die Kröte wieder mit ihrem blubbernden Gekicher, als finde sie das alles ziemlich komisch. »Wundert dich das?« sagte sie. »So wie du jetzt aussiehst mit deinem zottigen Bockshintern, hast du das Kind ganz schön erschreckt.«
»Warum hat das Mädchen mich Flöter genannt?« fragte Steinauge und steckte den Stein wieder an seinen Platz.
»Vielleicht warst du früher einer«, sagte die Kröte.
»Dann hat das Mädchen mich nicht mit einem andern verwechselt?« fragte Steinauge gespannt.
»Kann sein«, sagte die Kröte, als sei das nicht weiter wichtig.
»Warum gibst du mir keine klare Antwort?« sagte Steinauge. »Für mich ist das die wichtigste Sache von der Welt.«
»Schön zu hören«, sagte die Kröte, »aber so wichtig ist deine Person wohl auch wieder nicht. Außerdem nützt dir das im Augenblick wirklich nicht viel.«
»Ich habe zugehört, wie das Mädchen den Fischen von diesem Flöter vorgesungen hat«, sagte Steinauge. »Sie sollen es jemandem weitersagen, den es den Grünen nannte. Der soll diesen Flöter suchen.«
»Ich weiß«, sagte die Kröte. »Was meinst du denn, weshalb ich hier bin? Der Grüne weiß, daß ich den Flöter kenne und deshalb am ehesten finden werde.«
»Hast du ihn gefunden?« fragte Steinauge.
»Was nützt das, wenn er nicht mehr der Flöter ist, der er vielleicht einmal war?« sagte die Kröte. »So wie er jetzt aussieht, ist er nicht mehr jener, der gesucht wird.«
»Dann wird das Mädchen ihn nie finden«, sagte Steinauge und verlor jede Hoffnung.
»Das habe ich nicht behauptet«, sagte die Kröte. »Aber es wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis er gefunden wird.«
Solche vagen Auskünfte verwirrten Steinauge immer mehr. Einmal schien es ihm, als sei von ihm selbst die Rede, und dann sprach die Kröte wieder von diesem Flöter wie von einem Fremden. Er wurde aus diesen Worten nicht klug. »Was soll ich jetzt tun?« fragte er.
»Es hat eine Zeit gegeben, in der du auf meine Ratschläge wenig Wert gelegt hast«, sagte die Kröte. »Wenigstens darin scheinst du dich gebessert zu haben. Zunächst wird dir nichts anderes übrigbleiben, als über die Berge zu deinen Ziegen zurückzuwandern und dich von ihnen durch den Winter bringen zu lassen. Vielleicht solltest du dich später einmal nach einer Flöte umsehen. Du hast ja gehört, daß einer gesucht wird, der sich aufs Flöten versteht. Ich wünsche dir gute Reise und danke dir, daß du mir wieder einmal deinen Stein gezeigt hast. Paß gut auf ihn auf!«
»Das laß nur meine Sorge sein«, sagte das Wiesel, das die ganze Zeit über zusammengerollt an Steinauges Seite gelegen hatte.
»Da hast du ja einen tüchtigen Leibwächter«, sagte die Kröte. »Leb wohl, Steinauge! Und auch du, Nadelzahn! Und probiere dein spitzes Gebiß nicht an meiner Verwandtschaft aus!«
Nach diesen Worten kroch sie ins Gebüsch. Eine Zeitlang hörte man sie noch im dürren Laub rascheln, dann war es wieder still.
»Komische Bekannte hast du«, sagte Nadelzahn.
»Bekannte?« sagte Steinauge. »Ich weiß nicht recht. Kann sein, daß ich diese Kröte früher einmal getroffen habe, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Laß uns jetzt noch ein bißchen schlafen.« Damit legte er sich wieder zurück ins Gras und schloß die Augen. Eine Zeitlang hörte er noch den Wind in den Kronen der Bäume rauschen, dunkel im Laub des Ahorns und hell in den schon vergilbenden Birkenblättern, und das klang wie flüsternde Mädchenstimmen, einmal zögernd und leise, dann wieder lauter, als tuschele hier ein Chor von Schwestern miteinander. Steinauge lauschte ihren Stimmen und meinte nach und nach zu verstehen, was sie einander zu sagen hatten. »Der zottige Faun ist wieder zwischen unseren Füßen. Wißt ihr, daß er gesucht wird?« Also bin doch ich es, den der Grüne suchen soll, dachte Steinauge im
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