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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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prasselnd durch die dichtbenadelten Zweige und schlug unter einem jähen Windstoß in die Höhe wie ein Fahnentuch, dessen wehendes Ende sich in einem Funkenregen auflöste. Der hohe Baum war eine einzige Feuersbrunst, das Krachen der Äste übertönte selbst den Donner, der Rauch wurde vom Wind nach allen Seiten auseinandergetrieben und roch betäubend nach dem süßen Harz.
    Steinauge starrte auf dieses ungeheure Schauspiel, dessen elementare Gewalt ihn das Gewitter vergessen ließ, starrte auf den riesigen Flammenbaum, der bis in die Wolken hinaufschoß, als wolle er den Himmel selbst in Brand setzen, eine wabernde Säule, die brannte und brannte, bis das Geäst bis zum Wipfel verglüht war und der knorrige Stamm mit einem dröhnenden Knall auseinanderbarst; doch auch das zersplitterte Holz brannte noch weiter, als solle dieser Baum bis in die Wurzeln ausgetilgt werden. Dann brach nach dem letzten Donnerschlag der Regen los und löschte von einem Augenblick zum andern das Bild aus, als würde ein grauer Vorhang vor der zerklüfteten Öffnung der Höhle zugezogen.
    Steinauge lehnte sich an die kantige Felswand zurück und atmete tief durch wie nach einer großen Anspannung. Sobald er die Augen schloß, flammte wieder die Feuersäule, und er wußte nicht zu entscheiden, ob ihn dieser Anblick fasziniert oder entsetzt hatte. Ihm war zumute, als habe er das Schauspiel genossen, wie etwas Herrliches zugrunde ging.
    »Dieser Baum war sogar dann noch schön, als er brannte«, sagte eine Stimme aus der Tiefe der Höhle.
    Steinauge fuhr herum und hatte im gleichen Augenblick auch schon seine Bocksfüße in den Boden gestemmt, um mit einem Satz aus der Beengung der Höhle zu flüchten. Der andere, den er im Dunkel kaum erkennen konnte, hatte das wohl bemerkt, denn er sagte: »Du wirst naß werden, wenn du hinausläufst. Außerdem würde ich das bedauern, denn ich möchte mich ein bißchen mit dir unterhalten, Steinauge.«
    Daß der Fremde, der wie ein knolliger Felsbrocken im verschatteten Hintergrund der Höhle hockte, seinen Namen kannte, beunruhigte Steinauge mehr, als daß es sein Vertrauen in diesen Mann gestärkt hätte. »Woher weißt du, wie ich heiße?« fragte er.
    »Diesseits und jenseits des Gebirges hat man angefangen, von dir zu reden«, sagte der Mann. »Ziegen, Birkenmädchen, Pferdehirten und noch alle möglichen anderen Leute. Außerdem kenne ich dich schon lange.«
    Steinauge wollte fragen, woher der Mann ihn kenne, aber ihm schien plötzlich, als sei diese Frage überflüssig. Er spürte, wie das Wiesel an seiner Seite sich streckte, und fragte es: »Was hältst du von diesem Fremden, Nadelzahn?«
    »Seine Stimme klingt gut«, sagte das Wiesel. »Außerdem bleibe ich lieber im Trockenen sitzen.«
    »Du hast einen vernünftigen Freund, Steinauge«, sagte der Mann. Er richtete sich ächzend auf und kam langsam nach vorne ins Licht, ein magerer, ziemlich kleinwüchsiger alter Mann mit schütterem weißen Barthaar im faltigen, braungebrannten Gesicht. Er ging leicht gebückt, als suche er ständig etwas am Boden, und das kam wohl von seinem Beruf; denn der spitze, langgeschäftete Hammer, der an seinem Gürtel hing, und die abgeschabte Ledertasche ließen daran keinen Zweifel.
    »Ein Steinsucher bist du also«, sagte Steinauge erleichtert, ja fast schon ein bißchen enttäuscht.
    Der Alte grinste amüsiert und sagte: »Was hast du denn erwartet, du zottiger Faun? Einen von den rotschopfigen Blutaxtleuten? Einen Zauberer mit spitzem Hut? Oder gar den Großmagier persönlich? Seinsucher treiben sich nun einmal in den Bergen herum. Ich bin nur ein bißchen früher als du untergekrochen, als ich das Wetter aufziehen sah. Du wolltest ja partout noch übers Joch, aber ich habe mir schon gedacht, daß wir uns schließlich hier treffen.«
    »Wolltest du mich denn treffen?« fragte Steinauge.
    »Wenn die Zeit dazu gekommen ist, begegnet man einander«, sagte der Alte. »Darf ich mich zu dir und deinem Begleiter setzen?«
    Die Höflichkeit, mit der dieser Steinsucher um Erlaubnis fragte, erstaunte Steinauge. Trotz seiner unscheinbaren, fast gebrechlichen Gestalt wirkte der Alte durchaus nicht wie jemand, der erst lange fragen muß, wenn er etwas im Sinne hat. Aber er wartete dennoch Steinauges gewährendes Nicken ab, ehe er sich neben ihm niederließ. Eine Zeitlang saßen sie so schweigsam nebeneinander und blickten hinaus auf den strömenden Regenvorhang, der das felsige Gelaß von der Welt abschloß, und je länger

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