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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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du die Hoffnung nicht aufgibst, wirst du auch finden, was du suchst. Und vielen Dank für dein kostbares Geschenk.«
    »Zeige es keinem Falken«, sagte Steinauge. »Er könnte versuchen, dir den Schmuck zu stehlen.«
    Da lachte die Wasserfrau wieder, und das klingelte und plätscherte, als stürzten ringsum tausend Wasserfälle in den See. »Das laß nur meine Sorge sein«, rief sie zwischendurch. »Wer diesen Falkenschmuck haben will, muß schon zu mir hinabtauchen in die Tiefste der Tiefen.«
    »Kannst du mir deinen Namen nennen, damit ich dich rufen kann, wenn ich wieder einmal Hilfe brauche?« sagte Steinauge.
    »Rufe mich Laianna«, sagte die Wasserfrau, »aber es muß an einem See sein.«
    Dann verschwand sie in einer Fontäne von Millionen funkelnder Tropfen und ließ sich nicht mehr blicken.
    Nun verabschiedete sich auch der Mäuserich, der, wie er sagte, es gar nicht erwarten konnte, dem grünäugigen Falkenweibchen den Augenstein abzujagen. Dann schritt er so gravitätisch davon, wie es ihn der Würde, die auf seine schmalen Schultern gelegt worden war, angemessen zu sein schien.
    Kurze Zeit später kletterten Nadelzahn und Steinauge schon in der schmalen Kluft die Felswand hinan, hatten bald das Schlupfloch erreicht und krochen durch das alte Bachbett, bis sie oben zwischen den Stämmen des Bergwaldes ans Tageslicht gelangten.
    Sobald Steinauge wieder einigermaßen gangbaren Boden unter seinen Hufen spürte, fiel er in den raschen Laufschritt, der ihm in den letzten Tagen schon zur Gewohnheit geworden war. »Der Eilige merkt nicht, daß er an seiner Beute vorüberläuft«, sagte das Wiesel atemlos, während es in weiten Sätzen neben ihm herrannte, doch Steinauge war zu keiner langsameren Gangart zu bewegen; denn der Gedanke daran, was in der Zwischenzeit in Arziak geschehen sein mochte, trieb ihn voran, als könne er es gar nicht erwarten, all dies Unheil mit eigenen Augen zu sehen. Erst als der Fichtenwald immer dichter wurde, so daß das Tageslicht schließlich nur noch als spärlicher grüner Schimmer von oben hereinsickerte, mußte er notgedrungen seine Schritte etwas mäßigen, wenn er nicht ständig über Wurzeln stolpern oder gegen unvermittelt aus der Düsternis auftauchende Stämme anrennen wollte. Aber auch hier beeilte er sich, so gut es ging, und lief so lange weiter, bis am Abend kaum noch die Hand vor den Augen zu erkennen war. Beim ersten Morgengrauen war er dann schon wieder auf den Beinen, und auf diese Weise erreichte er diesmal den Schauerwald schon gegen Abend des zweiten Tages.
    Es war noch hell, als die beiden die kahle Kuppe umrundeten, an deren Rand die alte, breitästige Eberesche stand. »Sollten wir nicht besser hier übernachten?« sagte das Wiesel. »Unter diesem guten Baum werden wir ruhig und ungestört schlafen.« Aber Steinauge drängte weiter; denn der Anblick dieser Bergwiese weckte bei ihm allerlei böse Erinnerungen, die er lieber hinter sich lassen wollte. So stiegen sie, während die Nacht schon in den Wipfeln hing, noch das letzte Stück Weg hinunter zum Flachtal. Zuletzt war es so stockfinster, daß Steinauge sich von Baum zu Baum tasten mußte. Als er schließlich den Waldrand erreichte, spürte er dies nur an einer bestimmten Veränderung der Luft oder vielleicht auch daran, daß die Geräusche des Waldes, dieses leise Knacken und Rauschen, plötzlich hinter ihm zurückblieben. Er spähte in die Richtung, in der die Hütten der Pferdehirten liegen mußten, aber das Dunkel wurde von keiner fernen Lampe, von keinem hellen Fenster durchbrochen. Ob die Leute dort schon schliefen? Steinauge lauschte hinaus in die Nacht, aber es drang kein Laut herüber, weder das Klirren irgendeines Geräts, noch das Schnauben von Pferden.
    »Irgend etwas ist anders als im vergangenen Jahr«, sagte Nadelzahn und schnupperte in die Nachtluft. »Es riecht anders.«
    »Wie denn?« sagte Steinauge und sog hörbar die Luft durch die Nase ein. »Ich merke nichts.«
    »Deshalb kannst du’s ja auch bei deinen Ziegen aushalten«, sagte Nadelzahn. »Es riecht nicht mehr so stark nach Pferden, dafür aber ein bißchen nach Fisch.«
    »Nach Fisch?« wiederholte Steinauge. »Vielleicht kommt das vom Bach. Da drin gibt’s massenhaft Fische.«
    »Kann sein«, sagte das Wiesel, aber es klang nicht recht überzeugt.
    »Und das Mädchen riechst du nicht?« fragte Steinauge.
    »Ich glaube nicht«, sagte das Wiesel. »Es riecht diesmal überhaupt sehr viel weniger nach Menschen.«
    Steinauge war von

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