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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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gemaserte, astlose Ahornkloben, gut durchgetrocknet und gerade richtig zum Flötendrechseln. Mit einem Handbeil, das er in der Hütte vorgefunden hatte, begann er die armlangen Stücke schon grob vorzurichten.
    Als er eine Woche später auf dem Hackklotz vor seiner Hütte saß und ein Stück Eschenholz, aus dem er die Spindelachse für die Drechselbank schneiden wollte, auf Fehler untersuchte, kam der Knecht, der Arnilukka begleitet hatte, mit einem Packpferd von den Hirtenhäusern her auf dem Waldpfad zur Hütte herüber. Er wuchtete ein schweres Bündel vom Tragsattel und stellte es vor die Tür. »Ich soll dir Grüße von der Jungherrin bestellen«, sagte er. »Wir sind gut durch die Schlucht gekommen, und sie hat schon am nächsten Tag alles, was du brauchst, bei einem Schmied in Auftrag gegeben. Gestern habe ich die Sachen über den Schauerwald herübergebracht.« Lauscher bedankte sich und fragte, ob Arnilukka sonst nichts gesagt hätte.
    »Doch«, sagte der Knecht, »aber das verstehe, wer will. Ich soll dir sagen, in Arziak gäbe es viel zu wenig Flöten. Weißt du, was sie damit meint?«
    »Natürlich«, sagte Lauscher vergnügt. »Hast du denn eine?«
    »Nein«, sagte der Knecht verwirrt. Lauscher sah ihn sich jetzt zum erstenmal genauer an. Er war fast noch ein Junge und offensichtlich in einem Zelt der Beutereiter geboren worden. Sein strähniges schwarzes Haar trug er aber kurzgeschnitten wie die anderen Leute in Arziak. Aber was Lauscher vor allem aufhorchen ließ, war die Stimme des Jungen; er sprach auf eine Weise, als lege er es darauf an, jeden Satz zu einer Melodie zu formen. In jedem Wort schwang eine verborgene Musik mit, die nur darauf wartete, zu noch freierer Entfaltung zu kommen. So jedenfalls empfand Lauscher diese Redeweise, und das brachte ihn auf einen Gedanken. »Hättest du denn gern eine?« fragte er.
    »Eine Flöte?« fragte der Junge. »Was soll ich damit?«
    »Was denn schon?« sagte Lauscher. »Darauf spielen!«
    »So wie du auf deiner silbernen?« fragte der Junge. »Das könnte ich nie!« Aber man konnte ihm ansehen, daß ihn diese Sache zu interessieren begann.
    »Wenn du Lust dazu hast, bringe ich es dir bei«, sagte Lauscher.
    »Wann?« fragte der Junge eifrig. »Am Nachmittag hätte ich ein bißchen Zeit dafür.«
    Lauscher lachte. »So schnell geht das nicht«, sagte er und erklärte dem Jungen, was er mit den Eisengeräten vorhatte, die in dem Bündel verpackt waren.
    »Kannst du das ganz allein machen?« fragte der Junge.
    »Ich hoffe«, sagte Lauscher, »aber wenn du mir ein bißchen dabei hilfst, würde es schneller gehen.«
    »Lust hätte ich schon«, sagte der Junge. »Aber ich müßte erst Wazzek um Erlaubnis bitten.«
    »Laß mich mit ihm reden«, sagte Lauscher. »Er wird schon nichts dagegen haben, wenn ich ihn darum bitte. Wie heißt du überhaupt?«
    »Döli«, sagte der Junge.
    »Ein hübscher Name für einen Flöter«, sagte Lauscher. »Wenn du Wazzek siehst, dann sage ihm, daß ich etwas mit ihm besprechen möchte.«
    So kam es, daß Lauscher in den folgenden Wochen einen Helfer hatte, als er sich ernsthaft an den Bau seiner Drechselbank machte. Wazzek hatte keine Einwendungen gemacht. Im Gegenteil. Der Junge sei bei der Stallarbeit ohnehin kaum zu brauchen, hatte er gesagt. Sobald man ihn aus den Augen lasse, sitze er in irgendeinem Winkel herum und träume vor sich hin oder treibe irgendwelchen Unsinn, und es sei höchste Zeit, daß er lerne, ordentlich zuzupacken. Lauscher bekam ihn also ganz zu seiner Verfügung, und es stellte sich heraus, daß Döli an dieser neuen Aufgabe rasch Spaß bekam. Ob es nun die Aussicht auf eine eigene Flöte war und den Unterricht, den Lauscher ihm versprochen hatte, die ihn zu solchem Eifer anstachelten, oder ob ihm der Umgang mit Holz mehr Freude machte als Stallausmisten, jedenfalls erwies er sich als recht anstellig und geschickt, und so machte der Bau der Drechselbank rasch Fortschritte.
    Eines Tages war es dann so weit. Lauscher bohrte das erste Stück Ahornholz aus, zeigte Döli, wie man dem Werkstück mit dem Schnitzmesser eine grobe Form gab, und spannte es dann in die Drehspindel ein. »Jetzt kommt die äußere Form dran«, sagte er zu Döli, der ihm gespannt zuschaute. Sobald Lauscher die Wippe mit dem Fuß bewegte, begann der Rohling sich zu drehen, unter dem Messer lösten sich dünne, zu Spiralen gewundene Späne ab und ließen eine fein gerillte Rundung zurück. Nach und nach glättete sich der schlanke Körper

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