Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
Vom Netzwerk:
Stücken nie mehr verlassen würde, um sich noch einmal der Qual dieses Himmels auszusetzen, der fast greifbar nahe über den Bergspitzen zu hängen schien.
    Als dann später einer der Männer zurückkehrte und ihm bedeutete, er solle ihm irgendwohin folgen, hatte sich Lauscher schlichtweg geweigert, und der Mann merkte bald, daß er ihn mit Gewalt hätte aus der Tür schleifen müssen, wenn er ihn ins Freie bringen wollte. Er ließ es schließlich kopfschüttelnd sein, ging weg, nachdem er die Tür wieder verriegelt hatte, und kehrte bald darauf mit einem anderen Rotschopf mittleren Alters zurück, der ihn noch um Haupteslänge überragte, obwohl er selbst auch nicht eben kleingewachsen war. Nach der goldenen Gürtelschnalle zu schließen und den mit roten Steinen eingelegten Gewandspangen, mit denen der andere sein Kittelhemd geschmückt hatte, mußte er eine Art Anführer sein. Außerdem erwies er sich als sprachenkundig, denn er fragte ihn in der Redeweise der Täler, ob er aus Arziak komme.
    »Woher weißt du das?« fragte Lauscher.
    »Dein Sattelzeug verrät das«, sagte der Mann. »Ich weiß Bescheid mit jeglichem Sattelzeug im Umkreis von dreißig Tagesritten, denn es gibt kaum eine größere Ansiedlung in diesem Bereich, aus der ich nicht schon einmal einen Gefangenen eingebracht hätte, um mir Lösegeld zu verschaffen.«
    »Also bist du hier der Anführer?« sagte Lauscher. »Ich habe einmal von einem erzählen hören, den man Kluibenschedl nannte, aber der kannst du nicht sein, weil diese Geschichte schon lange Zeit zurückliegt.«
    »Kluibenschedl?« sagte der Mann und lachte dröhnend. »Von dem redet hier schon lange keiner mehr. Seit ihn damals so ein verrückter Alter im Brettspiel betrogen hat, besaß er kein Gesicht mehr unter den Leuten. Er fing mit jedermann Streit an und wurde irgendwann bei einer solchen Gelegenheit kurzerhand erschlagen. Seither bin ich hier der Häuptling. Wie heißt du?«
    Lauscher nannte seinen Namen und dachte dabei, daß es wohl dieser Schlagetot gewesen sein mußte, der Kluibenschedl den Rest gegeben hatte. Diese Erinnerung schien den Riesen jedoch wenig zu bekümmern, sondern eher mit Befriedigung zu erfüllen. Lauscher betrachtete sein narbenzerhacktes Gesicht und fragte: »Wie soll ich dich nennen?«
    »Ich heiße Schwingshackl«, sagte der Häuptling, »und du kannst dir wohl denken, auf welche Weise ich mir diesen Namen erworben habe.« Der Gedanke an dieses namensstiftende Ereignis schien ihm gewaltigen Spaß zu bereiten, denn er lachte noch einmal, daß die niedrigen Deckenbalken bebten, und sagte dann: »Du scheinst ein komischer Bursche zu sein. Hast schon unterwegs viel Geschrei gemacht, wie ich höre, und jetzt hast du dich gar geweigert, vor mir zu erscheinen. Was ist eigentlich mit dir los?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte Lauscher.
    Schwingshackl war sofort interessiert. »Geschichten mag ich!« sagte er. »Setz dich hin und erzähl!« Mit einer Handbewegung scheuchte er den anderen Rotschopf aus dem Raum wie ein lästiges Huhn, dann ließ er sich auf die Wandbank fallen, daß die Bretter krachten, und wies Lauscher den Platz neben sich an. »Also«, sagte er, »ich höre.«
    Da berichtete Lauscher, wie ihn eine Hexe dergestalt verzaubert hatte, daß er den Aufenthalt unter freiem Himmel nicht mehr ertragen konnte. Den Häuptling schien das außerordentlich zu fesseln. Er hörte gespannt zu, fragte zwischendurch nach Einzelheiten und schlug sich dann wieder voller Erstaunen auf seine prallen Schenkel. Schließlich sagte er: »Ein fabelhafter Zauber! Und so praktisch! Hier in dieser baumlosen Gegend brauchte man einen solcherart Behandelten also gar nicht einzuschließen, weil er überhaupt nicht weglaufen kann. Diese Hexe möchte ich gerne in Dienst nehmen. Wo kann man sie finden?«
    »Überall und nirgends«, sagte Lauscher und mußte nun selbst lachen über die Art, wie Schwingshackl dieser Zaubergeschichte gleich eine nützliche Seite abzugewinnen verstand. »Sie hat sich in ihrem eigenen Netz gefangen und fliegt jetzt als Falke irgendwo unter dem Himmel.«
    »Schade«, sagte Schwingshackl mit ehrlichem Bedauern. »Aber auf dich brauchen wir wenigstens nicht mehr aufzupassen. Gibt es jemanden, der für dich Lösegeld bezahlen würde?«
    Lauscher dachte eine Weile nach. Arnilukka würde wahrscheinlich alles drangeben, um ihn auszulösen, aber sie war die letzte, die er jetzt darum bitten wollte. Von seinen Eltern wußte er nicht einmal, ob sie

Weitere Kostenlose Bücher