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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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noch am Leben waren, und reich waren sie ohnehin nicht gewesen. Barlo? Von ihm hatte er seit Jahren nichts mehr gehört. Er schüttelte den Kopf. »Du hast einen schlechten Fang gemacht mit mir«, sagte er. »Ich bin nur ein umherziehender Flöter, der nirgends recht zu Hause ist. Wer sollte also Lösegeld für mich bezahlen?«
    »Ein unnützer Esser mehr also«, sagte Schwingshackl. »Vielleicht sollte man dich rasch beseitigen.« Lauscher verging das Lachen; denn Schwingshackl sagte das mit der gleichen Sachlichkeit, als ginge es darum, ob man ein Kalb noch ein bißchen mästen oder gleich schlachten solle. Doch der Häuptling zögerte offenbar noch, diese Sache so rasch zu entscheiden. »Was ist das für Zeug, das du auf deinem Packpferd mitgeschleppt hast?« fragte er.
    »Eine Drechselbank«, sagte Lauscher. »Ich baue nebenbei Flöten und kann auch sonst noch allerlei Sachen aus Holz drehen.«
    »Auch Spielsteine?« fragte Schwingshackl.
    »Natürlich«, sagte Lauscher. »Auch Spielsteine in allen Formen, die du dir wünschst. Als letztes habe ich eine Wiege aus gedrechselten Stäben für meine Tochter gebaut.«
    Der Häuptling hob ruckartig den Kopf, als habe er plötzlich eine frische Fährte entdeckt. »Für deine Tochter, sagst du? Also hast du irgendwo eine Frau, die für dich zahlen könnte!«
    »Nein«, sagte Lauscher. »Diese Frau hat einen anderen geheiratet.«
    »Das hätte ich mir denken können!« Schwingshackl haute mit der Faust auf die Sitzbank und brüllte vor Lachen. »Hat sie dir einer weggeschnappt? Was bist du doch für ein armseliger Wicht!« Dann beruhigte er sich wieder und sagte: »Also drechseln kannst du. Das ist wenigstens etwas. Du wirst hier für mich arbeiten, und wenn wir ein Fest feiern, dann sollst du dich unter die Tür setzen, wenn du’s draußen schon nicht aushältst, und uns mit deiner Flöte aufspielen. Dafür lasse ich dich am Leben und gebe dir zu essen.« Er sagte das so, als erweise er Lauscher eine große Gunst, und der war dankbar genug, daß ihm die Bekanntschaft mit einer dieser messerscharfen Streitäxte erspart blieb.
    Seither hatte er hier oben bei den Blutaxtleuten in seiner Hütte gelebt, hatte Spielsteine aus Zirbenholz oder Ziegenhorn gedrechselt, auch allerlei anderen Spielkram für die Kinder, und von Zeit zu Zeit zu den wilden Festen der Dorfbewohner auf seiner Flöte gespielt. Dabei war es ihm durchaus in den Sinn gekommen, die Tanzenden durch seine Kunst dahingehend zu beeinflussen, daß sie ihn gehen ließen, doch er erinnerte sich zu genau daran, was dabei herausgekommen war, wenn er den Zauber seiner Flöte zum eignen Nutzen gebraucht hatte. Und überdies: Wohin hätte er gehen sollen in diesem felsigen Hochland, wo der nächste Wald unerreichbar weit entfernt lag? So war er geblieben und hatte mit der Zeit die rauhe Sprache der Blutaxtleute gelernt, so daß er nach einer Weile schon mit der alten Frau, die ihm das Essen brachte, ein bißchen plaudern konnte. Sie hieß Kiwitt, was in der Sprache dieser Leute Bergdohle bedeutete, und glich mit ihrer scharf vorspringenden Nase tatsächlich diesen schwarzen, gelbschnäbeligen Vögeln, die tagsüber oben in schwerelosem Flug um die Felsspitzen kreisten und zuweilen auch bis ins Dorf hinunterkamen.
    Und da war noch Schneefink, Kiwitts Enkelsohn. Dieser weißblonde, schmalgesichtige Junge war ihm zum erstenmal aufgefallen, als er bei einem der Feste unter seiner Tür saß und spielte. Damals lebte er schon seit einigen Jahren in dem Bergdorf und hatte sich daran gewöhnt, daß ihm kaum einer zuhörte. Deshalb war er auch auf diesen Weißschopf aufmerksam geworden. Während die anderen Jungen unter den Tanzenden umhersprangen oder sich irgendwo am Rande des Trubels prügelten, stand dieser Weißschopf einige Schritte von ihm entfernt auf dem Dorfplatz und hörte ihm zu. Er schien kaum zu merken, wie ihn die anderen anrempelten oder ihm Spottworte zuriefen, weil er sich nicht an ihren Kämpfen beteiligte, sondern gab sich der Musik auf eine Weise hin, die ihn all das Toben und Springen ringsum vergessen ließ. Und auch wenn Lauscher sonst nur so für sich allein ein bißchen flötete, konnte er sicher sein, daß nach kurzer Zeit dieser Junge wie aus dem Erdboden gewachsen dastand und an dieser Stelle blieb, bis nichts mehr zu hören war.
    Anfangs hatte er nicht gewußt, wer dieser Junge war. Das erfuhr er erst, als Kiwitt ihn eines Tages ansprach, während er die mit Speckstücken geschmelzte

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