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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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wichtig neben dem, was ich eigentlich mit dir besprechen will. Hast du vor, dein Leben lang hier im Dorf zu bleiben?«
    Schneefink blickte ihn erschrocken an. »Willst du mich wegschicken?« sagte er. »Solange du hier bist, will auch ich bleiben, um noch mehr von deiner Kunst zu lernen!«
    »Darum geht es nicht«, sagte Lauscher. »Wärst du bereit mitzukommen, wenn ich mich davonmache?«
    »Wenn’s sein muß sofort!« sagte Schneefink und bekam vor Eifer rote Ohren. »Aber du kannst doch überhaupt nicht ins Freie gehen, selbst wenn du wolltest! Das weiß doch jeder hier im Dorf.«
    »So wie ich hergekommen bin, werde ich auch wieder wegreiten«, sagte Lauscher. »Allerdings mußt du mir dabei helfen.«
    »Wann soll das geschehen?« fragte Schneefink.
    »Übermorgen in der Nacht nach dem Fest, wenn alle betrunken in ihren Hütten liegen«, sagte Lauscher. »Wir werden schon weit unten in den Wäldern sein, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen haben und merken, daß wir nicht mehr da sind.« Und dann erklärte er dem Jungen den Plan, den er sich ausgedacht hatte.
    Das Fest galt einem gelungenen Raubzug, von dem Schwingshackl mit seinen Männern vor wenigen Tagen zurückgekehrt war. Gefangene hatten sie nicht mitgebracht, dafür aber neben allerlei anderen brauchbaren Dingen ein paar Schläuche mit schwerem roten Wein, doch den hielt der Häuptling vorderhand noch zurück. Zunächst wurde Honigmet getrunken, und zwischendurch stampften die Männer ihre wilden Tänze. Sie standen dabei im Kreise, hielten einander bei den Gürteln gepackt, gingen gemeinsam in die Knie, sprangen wieder auf, dann begann der Kreis sich langsam zu drehen, während die Frauen ringsum standen und den Takt in die Hände klatschten. Immer schneller drehte sich die geschlossene Kette der tanzenden Männer, bis sie plötzlich mit einem gellenden Schrei auf der Stelle stehenblieben, ohne ihren Stampfschritt zu unterbrechen. Doch nun lösten sie ihren Griff und klatschten allesamt den aufpeitschenden Rhythmus mit, während zwei der Tänzer aus dem Kreis in die Mitte aufeinander zusprangen. Sie hatten ihre Äxte aus dem Gürtel gerissen, wirbelten sie über dem Kopf und schlugen aus dieser Schwingung heraus unversehens aufeinander ein. Dieses geschah jedoch offenbar nach streng festgelegten Regeln, denn stets trafen die Stiele der Waffen mit scharfem Knall aufeinander, die Äxte federten in ihre kreisende Bewegung zurück und fuhren gleich danach aufs neue auf den Mittänzer zu, und zwar jedesmal in einem anderen Winkel wie bei einer sorgfältig einstudierten Waffenübung, bei der es darauf ankommt, alle erdenklichen Schläge eines Gegners abzuwehren. Schließlich verhakten die beiden Tänzer ihre Äxte ineinander und drehten sich immer schneller um den so geschaffenen Mittelpunkt, bis man ihre Köpfe im Strudel dieser Bewegung kaum noch auseinanderhalten konnte, während das Klatschen sich zu rasendem Tempo steigerte und schließlich wieder mit einem gellenden Schrei endete, dessen Echo vielfach von den Bergen zurückgeworfen wurde. In diesem Augenblick lösten die beiden in der Mitte ihre Äxte voneinander und wurden durch die Gewalt der Drehung mit solcher Kraft nach außen geschleudert, daß die Männer im Kreis Mühe hatten, sie aufzufangen. Es gab brüllendes Gelächter, als einige von ihnen übereinander stürzten, und dann löste sich die Gruppe der Tanzenden auf.
    Nun erst ließ Schwingshackl die Weinschläuche bringen und überwachte selbst, wie den erschöpften Tänzern ausgeschenkt wurde. Sobald jedermann seinen Becher gefüllt hatte, legte sich der Lärm. Lauscher, der bis dahin mit Schneefink auf der Schwelle seiner Hütte gesessen und dem Treiben zugeschaut hatte, stand auf, nahm seine Flöte zur Hand und sagte: »Jetzt ist es an der Zeit, daß wir ihnen eins aufspielen.«
    Er hob seine Flöte an die Lippen und begann allein. Wenn zuvor einzelne der Zecher noch laut gelacht oder mit kräftigen Zurufen einander zugetrunken hatten, so wurde es jetzt rasch still. Lauscher hatte den Rhythmus des eben erst beendeten Tanzes aufgenommen und verwandelte ihn in eine springende Melodie. Das klang, als habe man bisher nur die Begleitung zu einem Lied gehört, das erst jetzt richtig begann und mit seinen auf- und absteigenden Tonfolgen dem Stampfen des Tanzes, das noch jedermann in den Gliedern hatte, seinen eigentlichen Sinn gab. Alle blickten jetzt herüber, während Lauscher die Melodie in einem verwegenen Aufschwung zu Ende führte, seine

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