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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Holzfäller, ein riesiger Kerl, baumhoch und mit Muskeln wie ein Ochse. Man nannte ihn so, weil er einen Kopf hatte wie eine Runkelrübe, dick und rot und obenauf einen struppigen Haarschopf. Rübe hatte immer sonderbare Einfälle, und man wußte nie genau, ob er es ernst meinte oder einen Spaß im Sinn hatte. Er selber wird es schon gewußt haben, aber andere Leute konnte er damit ziemlich aus der Fassung bringen, zumal wenn sie keine Holzfäller waren. Und eines konnte Rübe überhaupt nicht begreifen: wenn es ihm nicht gelingen wollte, jemanden zum Lachen zu bringen. Denn er selbst konnte lachen, daß die Bäume im Wald zitterten.
    Die Sache begann damit, daß Rübe eines Tages das Holzfällen satt hatte. Er frühstückte noch gründlich, aber dann haute er seine Axt in einen Baumstumpf und ging einfach weg, immer den Bach entlang ins Tal, bis er zu einer Mühle kam. Dort klopfte er den Müller heraus und fragte ihn, was für eine Art von Arbeit das Mahlen sei und ob er ihn dabei brauchen könne.
    Der Müller, ein dürrer kleiner Kerl mit keiner einzigen Lachfalte im Gesicht, war ein zauberkundiger Mann. Er sah sich Rübe von Kopf bis Fuß an und dachte sich, daß man diesen Tölpel kostenlos in Dienst nehmen könne, wenn man die Sache richtig anfinge. »Eine schwere Arbeit«, sagte er. »Viel zu schwer für einen schmächtigen Burschen wie dich.«
    Rübe hielt das für einen Witz und lachte, daß die Fensterscheiben klirrten. Dann sagte er: »Männlein, wenn du die Arbeit schaffst, dann schaffe ich sie auch.«
    »Wetten, daß du zu schwach bist?« sagte der Müller; denn er wußte, daß ein Holzfäller nie eine Wette ausschlägt, und das war genau, worauf er aus war.
    »Die Wette gilt, Männlein«, sagte Rübe. »Was ist der Einsatz?«
    »Wenn du sie verlierst, mußt du mir drei Jahre dienen«, sagte der Müller. »Ohne Lohn, wohlgemerkt.«
    »Und wenn ich gewinne, mußt du mir das hübsche Sackmesser geben, daß an deinem Gürtel hängt«, sagte Rübe und lachte schon wieder. Der Müller hörte das nicht gerne, denn das Messer hatte einen schön verzierten silbernen Griff und eine kostbare, von Zwergen geschmiedete Klinge, die nie rostete. Aber da er die Wette vorgeschlagen hatte, konnte er nicht mehr zurücktreten. Er war sich jedoch seiner Sache so sicher, daß er kaum fürchtete, das Messer zu verlieren.
    »Wenn du gewinnst«, sagte er also, »sollst du das Messer haben. Ich werde dir drei Aufgaben stellen, aber mit deinen schwachen Gliedern wirst du wohl schon bei der ersten versagen. Du sollst mir diese Säcke in die Mahlkammer tragen.«
    Bei der Tür standen fünf Kornsäcke, und der Müller meinte, daß nicht einmal ein so starker Mann wie Rübe sie auf einmal tragen könne. Doch Rübe lachte nur und sagte: »Wenn’s weiter nichts ist«, legte sich die Säcke der Reihe nach auf die Schultern und fing an, die Treppe zur Mahlkammer hinaufzusteigen. Als der Müller sah, daß Rübe die Säcke alle auf einmal trug, nahm er seine Zauberkunst zu Hilfe und drückte von hinten mit einer Haselrute auf den obersten der Säcke; denn auf diese Weise konnte er ihr Gewicht verdoppeln. Im gleichen Augenblick ließ Rübe einen gewaltigen Wind fahren und mußte darüber so ungeheuer lachen, daß die Säcke auf seinem Rücken auf und ab hüpften und der Müller sie nicht weiter mit seiner Haselrute berühren konnte. Mit drei Schritten war Rübe schon oben in der Mahlkammer, setzte die Säcke ab und sagte: »Du mußt mein unfeines Benehmen entschuldigen, Männlein. Plötzlich drückten mich die Säcke so schwer, daß ich den Wind nicht mehr zurückhalten konnte. Vielleicht solltest du nicht so dicht hinter einem gehen, der schwer trägt und gut gefrühstückt hat.«
    »Das Lachen wird dir schon noch vergehen«, sagte der Müller; denn Rübes Gelächter ärgerte ihn sehr. »Wenn du diese erste Aufgabe schon schwer findest, wirst du die zweite wohl nicht schaffen.«
    »Was gibt’s jetzt zu tun?« fragte Rübe.
    »Schütte das Korn ins Mahlwerk«, befahl der Müller.
    »Wenn’s weiter nichts ist«, sagte Rübe wieder und begann das Korn in den Trichter zu schütten. Während er sich aber darüber beugte, setzte ihm der Müller von hinten seine Katze auf den Rücken und machte sie durch Zauberei schwer wie Blei. Er hoffte, dieser ungehobelte Knecht würde dann in den Trichter stürzen. Die Mahlsteine werden ihm seine groben Manieren schon abschleifen, dachte er sich. Doch kaum saß die Katze auf seinem Rücken, stieß Rübe

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