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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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wegen meiner Klage vernommen.«
    »Doch«, sagte Barlo, »das habe ich schon getan. Und ich bin der Meinung, daß du ihn zu Unrecht verklagst. Aber wir können auch hinausgehen zu euren Feldern, denn mir sind die Grenzen eures Besitzes bekannt.«
    Da wurde der Kläger blaß und sagte: »Es könnte sein, daß ich mich geirrt habe, deshalb will ich mich lieber aus dieser Sache zurückziehen, obwohl du den Gegenstand meiner Klage noch gar nicht zur Sprache gebracht hast.«
    »Das war nicht nötig«, sagte Barlo, »denn es genügte, euch zuzuhören. Ihr habt beide von dem gesprochen, was euch Freude macht. Dir macht es Freude, Dinge an dich zu bringen und zu besitzen, und so hast du nur von dem erzählt, was dir gehört. Deinem Nachbarn aber macht es Freude, andern etwas zu geben, und so hat er davon berichtet. Ich habe euch auch beim Essen zugesehen: Du hast dir als erster das größte Stück vom Braten genommen, während dein Nachbar gewartet hat, was man ihm anbietet. Es erscheint mir sehr unglaubhaft, daß er es auf dein Land abgesehen haben soll, denn dies entspricht nicht seiner Art. Wir sollten aber vielleicht dennoch die Grenzen eurer Felder abmessen, denn es könnte sein, daß du ihm selbst das angetan hast, wessen du ihn beschuldigst.«
    So war es dann auch, und der Kläger mußte nicht nur das gestohlene Land herausgeben, sondern dem anderen obendrein eine Buße zahlen. Wer das Maul zu voll nimmt, kann sich leicht verschlucken, sagten die Leute, als sie von dieser Sache hörten, und so hatte der Kläger zum Schaden auch noch den Spott. Dieses Urteil blieb kein Einzelfall, und da sich dergleichen Geschichten gut erzählen lassen, sprach es sich bald im ganzen Land herum, wie Barlo solche Rechtshändel beizulegen pflegte. So kam es, daß nicht nur die Bauern aus dem Tal von Barleboog bei ihm ihr Recht suchten, sondern auch andere Leute aus der Ebene oder von den Hügeln jenseits des Waldes bei ihm vorsprachen, um sich seinen Rat zu erbitten.
    Zu dieser Zeit fing der alte Barlo an, über Land zu reiten. Er war immer der Meinung gewesen, daß man nicht über Menschen und Dinge befinden könne, die man nicht selbst vor Augen gehabt hat, und überdies war er ein neugieriger Mensch, der immer alles genau wissen wollte. So ritt er weit im Land umher, saß stundenlang in einer Schmiede, um zuzusehen, wie das glühende Eisen sich unter dem Hammer zu einer Sense formte, unterhielt sich mit Kaufleuten ebenso wie mit Schafhirten und hörte sich die Balladen der Sänger auf den Märkten an. Er konnte überhaupt gut zuhören, nicht so wie diese Alleswisser, die schon abwinken und gelangweilt in die Luft starren, ehe man noch richtig angefangen hat, ihnen etwas zu sagen. Wenn es damals hieß »Barlo reitet über Land«, dann klang das so wie »Schönes Wetter heute« oder »Das Korn steht prächtig«, und wer etwas auf dem Kerbholz hatte, der brachte es lieber gleich in Ordnung, ehe ihm Barlo auf die Schliche kam.
    Obwohl Barlo stets gekleidet war wie ein einfacher Mann, begegneten ihm selbst Leute, die ihn gar nicht kannten, vom ersten Augenblick an mit Achtung. Er war zwar hochgewachsen und kräftig, aber wenn er in irgendeiner Dorfschenke saß und mit den Bauern redete, hätte man ihn für einen ihresgleichen halten können, der dort mit seinen Nachbarn sein Abendbier trank.
    Da war sein Sohn Fredebar von anderer Art. Der Junge hatte schon von klein auf eine Vorliebe für bunte, kostbare Kleider und reich geschmücktes Sattelzeug. Er hatte das wohl von seiner Mutter. Barlo hatte sie aus einem reichen Dragloper Haus ins Tal gebracht. Das Leben auf dem Schloß spielte sich damals nicht viel anders ab als auf einem großen Bauernhof und mag ihr recht kärglich vorgekommen sein. Jedenfalls fing sie damit an, die Räume mit kostbaren Möbeln und Teppichen auszustatten und feierte Feste, zu denen sie Freunde aus ihrer Heimat einlud. Da ritten dann die vornehmen Damen und Herren in ihren prunkvollen Gewändern durch das Tal, und die Kinder liefen ihnen nach, weil sie diesen Aufzug für eine besondere Art von Narretei hielten, was es wohl auch gewesen sein mag. Barlo ließ jedoch seine Frau gewähren, denn er liebte sie sehr und konnte ihr nichts abschlagen, zumal als sie ihm diesen Sohn geboren hatte.
    Fredebar wuchs inmitten dieses Treibens auf und hatte wohl in seiner Kindheit geglaubt, daß das Leben vor allem aus dergleichen Festlichkeiten bestünde. Als er sein erstes Pferd bekommen hatte und auf ihm durch die Dörfer ritt,

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