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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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alles, was er ist, unschuldig, unnütz. Als ich gehe, ruft er, ich solle mich für ihn verwenden, aber was kann ich tun?
    »Ihre Frau hat mich ruiniert!« tobt er.
    »Sie hat uns vielleicht alle ruiniert«, erwidere ich.
    Auf meine Bitte begleitet mich ein Distrikts-Ankläger zu Silenas Apartment, das seit ihrem Verschwinden amtlich versiegelt ist. Der Inhalt ist gründlich durchsucht worden, aber vielleicht gibt es einen Hinweis, der nur mir auffällt. Als ich eintrete, empfinde ich einen scharfen Stich des Verlusts, denn der Anblick von Silenas Habseligkeiten erinnert mich an glücklichere Zeiten. Diese Dinge sind mir schmerzhaft vertraut: ihre säuberlich aufgereihten Bücher, ihre Kleidung, ihre Möbel, ihr Bett. Ich habe sie nur elf Wochen gekannt, sie war nur für zwei Wochen meine Monats-Frau; ich hatte nicht gewußt, daß sie mir so schnell so viel bedeutet hatte. Wir schauen uns um, der Ankläger und ich. Die Bücher bezeugen die Lebhaftigkeit ihres ruhelosen Geistes: wenig leichte Lektüre, hauptsächlich historische Werke, Analysen sozialer Probleme, Voraussagen künftiger Entwicklungen. Holman, ›Die Ära der Welt-Stadt‹. Sawtelle, ›Megalopolis im Triumph‹. Doxiadis, ›Die Neue Welt des Stadtmenschen‹. Heggebend, ›Fünfzig Milliarden Leben‹. Marks, ›Kalkutta ist überall‹. Chasin, ›Die neue Gemeinschaft‹. Ich nehme ein paar der Bücher heraus, streichle sie, als hätte ich Silena vor mir. Oft, wenn ich einen Abend hier verbracht habe, griff sie nach einem dieser Bücher, Sawtelle oder Heggebend oder Marks oder Chasin, um mir einen Absatz vorzulesen, der unterstrich, was sie mir klarzumachen versuchte. Beiläufig blättere ich. Dutzende von Absätzen sind dünn unterstrichen, und ausführliche Bemerkungen am Rand finden sich überall.
    »Wir haben das alles nach seiner möglichen Bedeutung geprüft«, sagt der Ankläger. »Das einzige, was wir daraus entnommen haben, ist ihre Ansicht, daß die Welt zu überfüllt sei.« Ein krächzendes Lachen. »Wer hat die nicht?« Er deutet auf einen Stapel grüngebundener Broschüren im Regal. »Die könnten für Ihre Suche allerdings nützlicher sein. Wissen Sie etwas darüber?«
    Der Stapel besteht aus neun Exemplaren eines Textes mit dem Titel ›Walden Drei‹: offenbar ein utopisches Phantasiegebilde, in einem idyllischen Land von Flüssen und Wäldern angesiedelt. Die Broschüren sind mir neu; Silena muß sie erst kurz vorher bekommen haben. Warum neun Exemplare? Diente sie als Verteilerin? Sie tragen das Signum eines Verlages in Kingston. Ganfield und Kingston haben ihre Handelsbeziehungen seit langem abgebrochen; dort veröffentlichtes Material ist hier selten.
    »Ich habe sie nie gesehen«, sage ich. »Wo, glauben Sie, hatte sie sie her?«
    »Es gibt drei Hauptwege für subversive Literatur aus Kingston. Der eine ist –«
    »Das Pamphlet ist also subversiv?«
    »Oh, sehr sogar. Es tritt für eine völlige Umkehrung der sozialen Strömungen der letzten hundert Jahre ein. Wie gesagt, es gibt drei Hauptwege. Wir haben eine Vertriebskette über Wisleigh und Cedar Mall aufgespürt, eine zweite durch Old Grove, Conning Town und Hawk Nest, und die dritte über Parley Close und die Mill. Es liegt nahe, daß Ihre Frau jetzt in Kingston ist, hingelangt auf einem dieser Untergrund-Vertriebswege, den ganzen Weg geschützt von ihren Genossen. Aber wir haben keine Möglichkeit, das konkret zu bestätigen.« Er lächelt leer. »Sie könnte entlang der drei Wege in jeder beliebigen Gemeinschaft sein. Oder in keiner davon.«
    »Ich sollte mir Kingston als eigentliches Ziel vorstellen, bis ich etwas Gegenteiliges erfahre, nicht wahr?«
    »Was können Sie sonst tun?«
    Was wohl? Ich muß wahllos in einer unbekannten Anzahl feindlicher Distrikte suchen, ohne einen Hinweis als den dürftigen, der sich aus diesen Broschüren ergibt, während die Zeit weiterläuft und Ganfield jeden Tag tiefer ins Chaos versinkt.
    Das Büro des Anklägers stattet mich mit nützlichen Dingen aus: Landkarten, Einführungsbriefe, Pendler-Paß, der mir gestatten soll, wenigstens einige Distriktsgrenzen unbelästigt zu überschreiten, und Geld in verschiedenen Währungen, ebenso Banknoten der Zentralbank, die in den meisten Distrikten gültig sind. Gegen meinen Wunsch erhalte ich auch eine Waffe – eine kleine Hitze-Pistole und dazu eine Kapsel, die ich in dem Fall schlucken kann, daß ein schneller und leichter Tod wünschenswert erscheint. Als letzten Abschnitt meiner

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