Steinbrück - Die Biografie
seine prominenten Gesprächspartner ein, unter anderem Helmut Schmidt. Der Spitzname des weltläufigen Ökonomieprofessors lautete denn auch »Peter Stuyvesant«, was auf den Werbeslogan der Zigarettenmarke vom »Duft der großen weiten Welt« anspielte.
Giersch hatte sich im Laufe seiner Lehrtätigkeit deutlich vom damals vorherrschenden Geist der Kieler Ökonomen gelöst. Sein Vorgänger Erich Schneider galt noch klar als keynesianisch orientierter Wirtschaftstheoretiker und lehrte das Modell des Ökonomen John Maynard Keynes als mathematisch beweisbare Theorie. Der Staat solle sich eben nicht nur als neutraler Rahmensetzer betätigen, wie die ordoliberalen Theoretiker das forderten, sondern die Wirtschaft aktiv steuern und lenken. Vor allem in der SPD fand und findet dieses Modell bis heute viele Anhänger. Karl Schiller, der ebenfalls in Kiel ausgebildete legendäre Wirtschaftsminister der ersten Großen Koalition, schaffte es denn auch, die damalige Konjunkturkrise der Bundesrepublik mit klassischen keynesianischen Methoden in den Griff zu bekommen, was jahrelang als eine Art historischer Beweis für deren Tauglichkeit galt.
Schneiders Nachfolger Giersch wiederum setzte sich nach und nach von der Idee der dirigistischen Staatsrolle im Wirtschaftsleben ab. Die Rezession 1973 war mit der Lehre von Keynes nicht mehr zu bekämpfen. Giersch wendete sich stärker den globalen Wirkungsmechanismen der zunehmend verflochtenen Weltökonomie zu und entwickelte daraus eine strikt an marktwirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichtete Wirtschaftstheorie. Auf Steinbrück hatte Giersch sicherlich mehr Einfluss als der Keynes-Anhänger Schneider. Den hatte der Student Steinbrück nämlich nicht mehr in Vorlesungen gehört, sondern nur noch nachlesen können.
Das Angebot, als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Giersch zu beginnen, war also verlockend. Aber Steinbrück wand sich. Dafür gab es mehrere Gründe. So hatten sich seine beruflichen Ziele im Laufe der letzten Jahre immer wieder verändert. Als er das Studium begann, wollte er noch Journalist werden. Die Arbeit an der Schülerzeitung hatte ihm gefallen, das Schreiben, das Politische, daneben die Aufmerksamkeit, die man als Autor bereits in jungen Jahren für provokante Artikel erzielen konnte. Auch während des Studiums schrieb er. Seine Gedanken verarbeitete er in essayistischen Splittern, fasste seine politischen oder wirtschaftlichen Überlegungen in Notizen oder Aufsätzen zusammen, veröffentlichte jedoch nie etwas davon. Irgendwann im Laufe der eilig absolvierten Studienzeit kam ihm der Berufswunsch des Journalisten wohl abhanden. Jedenfalls bemühte er sich nie darum, seine Texte an Zeitungen zu verkaufen oder sich durch andere Veröffentlichungen eine publizistische Tür zu öffnen. Auch Ferienpraktika oder einen Job als freier Mitarbeiter bei der Presse strebte er nicht an. Und nach dem glänzend bestandenen Examen verspürte Steinbrück sowieso keine Lust mehr, noch ein Volontariat zu durchlaufen oder sich als journalistischer Anfänger bei einem Medienunternehmen ganz hinten anzustellen.
Der wirkliche Dreh- und Angelpunkt für alle weiteren beruflichen Überlegungen war jedoch höchst menschlicher Natur: Auf der Party eines Freundes in der Eifel hatte Steinbrück nämlich eine junge Dame kennengelernt. Sie hieß Gertrud Isbary und wurde später seine Ehefrau. Die Studentin der Universität Bonn war nicht auf den Mund gefallen und ließ sich von dem wortgewandten Norddeutschen nicht so leicht einwickeln. Steinbrück gefiel das. »Wir hatten einen regelrechten Schlagabtausch«, erinnert er sich mit einem Schmunzeln. Gertrud wurde 1949 in einem Nest namens Hohenberg-Krusemark in Sachsen-Anhalt geboren. Ihr Vater war Professor für Geografie und zog 1952 mit seiner Familie ins Rheinland. Seine Tochter wollte ursprünglich Ärztin werden, schaffte aber den strengen Numerus clausus für Medizin nicht und schrieb sich schließlich an der Universität Bonn für Biologie ein.
Als sie Peer Steinbrück in der verschneiten Eifel traf, promovierte sie gerade und verspürte keinerlei Interesse, der Liebe wegen von Bonn aus in den hohen Norden zu ziehen. Gertrud fühlte sich wohl in der beschaulichen Stadt am Rhein, in der die Familie Steinbrück bis heute wohnt. Als sie schließlich im Begriff standen, ein Paar zu werden, machte sie Peer unmissverständlich klar, dass es eine gemeinsame Zukunft entweder in Bonn oder gar nicht geben würde.
Steinbrück stand also vor
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