Steinbrück - Die Biografie
Deutschland. Steinbrück arbeitete viel, doch es waren nicht die sorgfältig formulierten Vermerke, die den Blick des damaligen Forschungsministers Hans Matthöfer auf den neuen Hilfsreferenten lenkten. Vielmehr fiel Steinbrück erst auf, als er bei einer voll besetzten Veranstaltung in der Friedrich-Ebert-Stiftung seinen Minister in aller Öffentlichkeit mit sachkundigen und wohl auch recht unbequemen Fragen nervte. Nach der dritten Wortmeldung beugte sich Matthöfer stirnrunzelnd zu einem Referenten hinüber und fragte, wer denn um Himmels willen dieser hartnäckige Fragesteller im Publikum sei. »Das ist ein Mitarbeiter aus Ihrem Ministerium«, lautete die Antwort. »Dann will ich den in meinem Stab haben«, ordnete Matthöfer kurz entschlossen an. »Holt ihn ins Zelt, damit er künftig rauspinkelt und nicht rein.«
Und so geschah es. Kurz darauf wurde Steinbrück persönlicher Referent des Ministers und rückte damit in den innersten Kern der politischen Machtausübung vor. Von allen Spitzenpolitikern, denen Steinbrück fortan dienen sollte, hat er Hans Matthöfer vermutlich am meisten geschätzt. Der gebürtige Bochumer kam aus einfachen Verhältnissen, war Soldat im Weltkrieg gewesen, machte danach über den zweiten Bildungsweg seine Ausbildung als Ökonom, fügte ein englisches Übersetzerdiplom hinzu und arbeitete lange für die Gewerkschaftsbewegung, ehe er 1961 in den Bundestag einzog. Im Gegensatz zu vielen Genossen schaute Matthöfer aufgrund mehrjähriger Tätigkeit auch in Washington und Paris über den heimischen Tellerrand hinaus. Das imponierte Steinbrück, dem die Neigung der deutschen Politik zur nationalen Nabelschau schon früh aufgestoßen war. Matthöfer stand nicht zuletzt auch wegen seines Weitblicks und seiner Integrität bei den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt hoch im Kurs.
Allerdings dauerte die Zusammenarbeit nicht lange, denn bei der Kabinettsumbildung im Frühjahr 1978 übernahm Matthöfer auf Wunsch von Kanzler Schmidt das Finanzressort. Obwohl Matthöfer Peer Steinbrück schätzte, nahm er ihn nicht mit in das neue Ministerium, sondern setzte dort auf Leute, die das Haus schon besser kannten. So blieb Steinbrück im Forschungsressort und wurde als persönlicher Referent von dem neuen Minister übernommen. Der hieß Volker Hauff, war zuvor Staatssekretär gewesen und hatte seinem Adlatus Steinbrück bereits vertraut, als an diesem noch der Makel des »Sicherheitsrisikos« haftete.
Der Job eines persönlichen Referenten, den Steinbrück über Jahre hinweg bei drei Ministern ausübte, ist eine spannende, mitunter jedoch sehr undankbare Aufgabe. Man ist von morgens früh bis abends spät mit dem Minister unterwegs, bekommt hinter den Kulissen der großen Politik viel mit, muss aber immer im Hintergrund bleiben und wird trotzdem für alles verantwortlich gemacht. Zusammen mit dem Ministerbüro koordiniert man die vielen Gesprächs- und Rückrufwünsche, die so im Laufe des Tages eintreffen, und wimmelt alle ab, die nicht als wichtig genug erscheinen. Außerdem muss täglich ein nicht enden wollender Strom von Akten und Nachrichten aufbereitet werden und auch auf Reisen quer durchs Land stets verfügbar sein.
Spitzenpolitiker verlangen eine perfekte Organisation von ihrem Stab. Ihre Terminkalender sind vollgepresst bis oben hin. Schon bei einer unvorhergesehenen Verzögerung oder Abweichung kann der ganze Tagesplan durcheinandergeraten. Zudem stehen die meisten Minister unter Daueranspannung. Störungen jedweder Art werden in der Regel nicht besonders freundlich aufgenommen. Der persönliche Referent ist derjenige, der am nächsten dran ist und den Unmut des Chefs als Erster zu spüren bekommt. Man ist in einer solchen Funktion alles: Ratgeber und Vertrauter, Blitzableiter und Problemlöser, Kummerkasten und Kofferträger. Dabei muss »der Persönliche«, wie diese Leute intern verkürzt genannt werden, äußerst klug sein, fleißig und stressresistent. Und ständig den Überblick behalten, sonst geht er unter. Vor allem aber braucht er eine hohe Frustrationstoleranz und darf nur geringe Ansprüche an die eigene Freizeitgestaltung stellen. Anrufe und Aufträge am Wochenende bilden die Norm und nicht die Ausnahme. Das CSU-Urgestein Michael Glos hat die Anforderungen an einen persönlichen Referenten in seiner unnachahmlichen Art einmal so beschrieben: »Für den Job brauchen Sie ein Gemüt wie ein Fleischerhund.«
Die nötige Energie und Nervenstärke hat Steinbrück seit jeher
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