Steinbrück - Die Biografie
besessen, und offenbar brachte er die anderen erforderlichen Eigenschaften ebenfalls mit, um als langjähriger »Persönlicher« den hohen Ansprüchen der Spitzenpolitiker zu genügen. Als ein »Diener« seiner Minister will er sich allerdings nie gesehen haben, auch später nicht als Büroleiter des NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau. Auf die Frage »Können Sie dienen?« schüttelt Steinbrück heute noch entschieden den Kopf. Nein, er hat sich nie als Diener gesehen, das entsprach offenbar zu keiner Zeit seinem Selbstverständnis. Er war zwar Bundeswehroffizier und hat Befehle befolgt, und er war auch lange persönlicher Referent und Büroleiter, aber das Wort »dienen« mag Steinbrück trotzdem nicht, das klingt ihm zu servil. Ebenso kann er der Wortkombination »Staatsdiener« für Beamte nur wenig abgewinnen. Das würde ja bei strenger Auslegung bedeuten, völlig unkritisch zu sein, ohne eigene Meinung und ohne eigenen Kopf zu arbeiten. Nein, so hat er seine Karriere im Staatsdienst nie verstanden, und so hat er es selbst nie gehalten. Wenn Steinbrück rückblickend auf seine Jahre als Beamter schaut, dann ordnet er sich eher als sachkundigen Helfer ein, als Zuarbeiter und gelegentlichen Ratgeber. Natürlich habe er sein gesamtes Zeitbudget nach dem jeweiligen Minister ausgerichtet und bis in die Nacht hinein geschuftet, ja, das stimme. Doch so wenig er sich damals als Mitarbeiter des inneren Machtzirkels in der Rolle eines »Mitregierenden« oder gar als Teil der Herrschenden gefühlt hat, so wenig verstand er sich in dieser Zeit auch als bloßer Diener.
Bei Volker Hauff blieb Steinbrück bis Juni 1978. Dann wurde er ins Kanzleramt entsandt, um dort im »Spiegelreferat« des Bundesministeriums für Forschung und Technologie zu arbeiten. Man kann diesen Wechsel durchaus als eine Art Beförderung verstehen, denn die jeweiligen Ressorts schicken nur ihre besten Leute in die Schaltzentrale des Regierungschefs. Das Kanzleramt ist so organisiert, dass es alle Fachministerien der Bundesregierung vom Familien- bis zum Finanzressort »widerspiegelt«. Deshalb werden die jeweiligen Abteilungen auch »Spiegelreferate« genannt. Durch diesen Verwaltungsaufbau verfügt der Regierungschef in allen Politikbereichen über eigene Beamte und damit über eigene Expertisen, die ihn unabhängig machen von der Zuarbeit der Ministerien. Helmut Kohl hat zwar einmal darüber geklagt, dass die Ministerialräte bei der Umsetzung politischer Ideen die schlimmsten Widersacher seien. In Wahrheit jedoch ist das Kanzleramt eine gut geölte Machtmaschine, in der nur die besten Leute der jeweiligen Administration arbeiten.
Als Steinbrück sein Büro im Kanzleramt einrichtete, hieß der Hausherr dort Helmut Schmidt. Der Hamburger war wegen seiner ungeheuren Energie, Detailkenntnis und Akribie beim Aktenstudium zwar geachtet, aber bei den Mitarbeitern des Amtes auch gefürchtet. Es dauerte ein gutes halbes Jahr, bis Steinbrück Anfang 1979 das erste Mal persönlich bei Schmidt vorsprechen musste. Zuvor hatte er bereits an einigen Vermerken mitgearbeitet, die auf dem Tisch des Kanzlers landeten. Und auch bei Kabinettssitzungen konnte er Schmidt schon erleben, wenn er dort Protokoll führen musste. Jetzt wollte der Chef jedoch persönlich Rücksprache halten, und das ist ein besonderer Moment für jeden Mitarbeiter des Kanzleramts.
Richtigen Bammel habe er nicht gespürt, versichert Steinbrück rückblickend, wohl aber »gehörigen Respekt«. In seinem Spiegelreferat für Forschung und Technologie ging es damals unter anderem um die Themen Kernenergie, Hochtemperaturreaktoren sowie um die Entsorgung des Nuklearabfalls – eine bis heute ungelöste und höchst kontroverse Frage. Schmidt brauchte von Steinbrück eine fachliche Vorbereitung für eine Bund-Länder-Konferenz der Regierungschefs, bei der unter anderem die Entsorgungsfrage auf der Tagesordnung stand. Der Widersacher des Kanzlers in dieser brenzligen Sache war zu jener Zeit der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht, der Vater der heutigen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Der CDU-Politiker nutzte wegen des Standorts Gorleben jede Chance, um sich mit dem sozialdemokratischen Kanzler öffentlich zu streiten, was dem wiederum ziemlich auf die Nerven ging.
Schmidt war also nicht gerade bester Laune, als er sich auf den Weg zur Bund-Länder-Konferenz nach Niedersachsen machte. Er studierte das Briefing erst im Flugzeug, und Steinbrück saß in gehörigem Abstand
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