Steinbrück - Die Biografie
Umweltpartei einen bewahrenden, strukturkonservativen Kurs verfolgen.
Doch Steinbrücks Provokationen kommen in Berlin schlecht an. Kanzler Schröder ist wegen seiner Reformpolitik selbst in einer schwierigen Lage und kann das Zerbrechen eines so wichtigen rot-grünen Bündnisses wie in NRW nicht gebrauchen. Die Signalwirkung würde über Düsseldorf hinaus bis nach Berlin reichen, mit ungewissem Ergebnis. Schröder muss in der Hauptstadt alle politischen Kräfte anspannen, um die umstrittene »Agenda 2010« gegen den verbreiteten Unmut in der SPD durchzusetzen. Allein im April 2003 haben 7300 Genossen ihr Mitgliedsbuch zurückgegeben. In seiner Not ruft der Kanzler sogar einen Sonderparteitag ein, um über Hartz-IV und andere Einschnitte abstimmen zu lassen. Dort will er das Reformwerk als rot-grünes Umbauprojekt interpretieren. Das aber ist nicht mehr möglich, wenn Steinbrück in NRW die Koalition mit den Grünen mutwillig vor die Wand fährt. Mit der FDP und einer rot-gelben Koalition in Düsseldorf würde die Agenda 2010 nicht als Reformpaket, sondern als Abbauprogramm verstanden, fürchtet Michael Müller, der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD-Abgeordneten im Bundestag. Die SPD-Linke könnte das Einverständnis der Parteispitze mit einem Schwenk zur FDP als Hinweis auf einen weiteren neoliberalen Kursschwenk interpretieren. »Wir müssen darauf achten, dass nicht durch die Koalitionskrise am Rhein ein Schatten auf die Regierungsfähigkeit in Berlin fällt.«
Auch machtstrategisch hat die rot-grüne Bundesregierung kein Interesse an einer sozialliberalen Verbindung in Düsseldorf. Im Bundesrat müsste NRW sich nämlich immer dann enthalten, wenn sich mit der FDP keine gemeinsame Line finden ließe. Ohne die sechs Stimmen vom Rhein jedoch hätte die Bundesregierung in der Länderkammer künftig eine Zweidrittelmehrheit gegen sich und würde damit jeglichen politischen Spielraum verlieren.
Als Steinbrück schließlich Schröder, Joschka Fischer und Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier trifft, ist die Ansage aus Berlin glasklar: kein Bruch der Koalition mit den Grünen in Düsseldorf, kein Wechsel zur FDP, weitermachen wie bisher und Kompromisse suchen. Selbst Johannes Rau, als Bundespräsident eigentlich zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet, nimmt seinen ehemaligen Büroleiter ins Gebet und beschwört ihn, trotz aller Schwierigkeiten aus übergeordneten Gründen bei den Grünen zu bleiben. Mit der FDP wäre es zudem nur eine Frage der Zeit, bis sie zur CDU wechseln und die SPD in die Opposition stoßen würde, warnt Rau.
Auch Harald Schartau, der Vorsitzende der NRW-SPD, redet in diesem Sinne auf Steinbrück ein. »Der nächste Zahnarzt hat auch einen Bohrer«, mahnt er eindringlich all jene in der SPD, die sich mit den Liberalen als Partner weniger Ärger versprechen. »Mit der FDP würden wir uns zwar nicht mehr über die Krötenzäune vor der Zeche unterhalten, aber dafür nur noch über den Abbau von Arbeitsplätzen in der Zeche« ( Handelsblatt , 30.5.2003).
Angesichts des geballten Widerstands bleibt Steinbrück keine andere Wahl, als zähneknirschend nachzugeben. Auf dem Altar der Verständigung muss der inzwischen als »Grünenfresser« bezeichnete Ministerpräsident sogar sein Lieblingsprojekt opfern: den Metrorapid. Inzwischen sieht die Bundesregierung nämlich doch keine Möglichkeit mehr, die für München vorgesehenen 550 Millionen Euro ersatzlos zu streichen und vollständig ins Ruhrgebiet umzulenken. Vor allem Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe lehnt den Plan ab. Für beide Projekte habe es feste Zusagen gegeben, auch gegenüber der Deutschen Bahn und der beteiligten Industrie. Angesichts der ständig wachsenden Kostenkalkulation und des anhaltenden Widerstands kommt Steinbrück nach längerer Abwägung zu dem Entschluss, dass sein Metrorapid zwischen Düsseldorf und Dortmund ein unfinanzierbarer Traum bleiben muss.
Im Sommer 2003 wurde das Zerwürfnis zwischen Steinbrück und den Grünen mit dem sogenannten »Düsseldorfer Signal« schließlich beigelegt. In dieser Erklärung »für Erneuerung und Konzentration« verpflichteten sich die Koalitionäre dazu, politische Entscheidungen rascher umzusetzen. Es solle »mehr Freiraum für wirtschaftliche Unternehmungen« geschaffen werden. Außerdem bekannten sich die Parteien dazu, dass »im Industrieland NRW Arbeit und Umwelt zusammengehören«. Insgesamt war die 16-seitige Erklärung eine Bekräftigung des
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